Ludwig Janus
Y – Z Atop Denk 2022, 2(4), 1.
Abstract: Dieser Artikel ist eine Übersicht über die evolutionsbiologischen, psychologischen, mentalitätsgeschichtlichen und psychohistorischen Hintergründe von Kriegen, die heute im Rahmen einer transdisziplinär erweiterten Psychoanalyse möglich ist. Aufbauend auf der dem Briefwechsel zwischen Einstein und Freud 1932 werden die in der Zwischenzeit erreichten neuen Erkenntnisse der Evolutionsbiologie, der biologischen Verhaltensforschung der Psychohistorie, der Mentalitätsgeschichte und der pränatalen Psychologie integrativ zusammengeführt, um die Psychodynamik auch der aktuellen Kriegsgeschehens in der Ukraine umfassender zu verstehen. Dadurch wird auch der schon immer transdisziplinäre Ansatz der Psychoanalyse deutlich, der durch die Spaltungen in der Geschichte der Psychoanalyse verloren zu gehen droht.
Keywords: Krieg, transdisziplinär, Psychoanalyse, Psychohistorie, pränatale Psychologie
Veröffentlicht: 30.04.2022
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1. Vorbemerkung
Die Frage „Warum Krieg?“, die Albert Einstein Sigmund Freud als dem größten Psychologen seiner Zeit im Jahre 1932 stellte, wurde von Freud entsprechend dem damaligen Wissensstand im Wesentlichen unter Rückgriff auf das Schicksalhafte des „animalischen Erbes“ pessimistisch beantwortet (Freud 1932). Doch wies er dazu einschränkend auch auf die Bedeutung von „Gefühlsbindungen“, die den Lösungen durch Gewalt entgegenwirken könnten. Ich werde diese Argumente am Ende des Beitrags noch im Einzelnen diskutieren. Doch zunächst soll die Frage nach den Ursachen von Kriegen noch einmal im Rückblick auf die zwischenzeitliche Theorie- und Praxisentwicklung im Bereich der Psychotherapie, Evolutionsbiologie, der Psychohistorie und der pränatalen Psychologie behandelt werden. Dabei ist ein Hintergrund, dass Kriege mit dem Entstehen
komplexerer Kulturen am Ende der Jungsteinzeit verbunden sind. Die Formation dieser Kulturen ist jeweils von einer bestimmten Mentalität geprägt, in der ihre innere Dynamik zum Ausdruck kommt. Darum steht das Thema der Mentalität am Anfang. Dabei verstehe ich unter Mentalität die seelische Struktur, die mit der jeweiligen gesellschaftlichen Struktur in inniger Wechselwirkung steht. Ganz grob lässt sich eine archaische Mentalität mit einer Ungeschiedenheit von inneren Befindlichkeiten und äußeren Wirklichkeit in einem magisch-mythischen Erleben und entsprechenden gesellschaftlichen Institutionen und einer Mentalität der Moderne mit einer deutlichen Trennung von innerer und äußerer Wirklichkeit (Obrist 1988). Wichtig ist auch noch die Erläuterung des Begriffs Psychohistory bzw. Psychohistorie: nach den großen kulturpsychologischen Entwürfen im Rahmen der frühen Psychoanalyse, die wegen der ausgeprägten spekulativen Aspekte unvollständig blieben, entwickelte sich in den USA unter dem Begriff Psychohistorie ein neuer Ansatz zur Erforschung der psychologischen Aspekte im geschichtlichen Prozess mit Einbeziehung Auswirkungen der Sozialisationsbedingungen der Kinder einschließlich der Bedingungen der primären Situation mit der Mutter. Die prägende Persönlichkeit bei dieser Forschung war der amerikanische Psychoanalytiker Lloyd deMause (1969). Die Phänomene Lust und Jouissance lassen sich zwar derart gegeneinander abgrenzen, dass so etwas wie ein Sujet entsteht, allerdings ist dieses nie endgültig beschreibbar: „Um ein solches Sujet kann ich nur kreisen“, so Barthes (Barthes 2015, S. 51).
2. Erläuterung des psychohistorischen Hintergrunds der gesellschaftlichen Mentalitäten
Einen zentralen Hintergrund beim geschichtlichen Wandel von den archaischen Mentalitäten zu den Mentalitäten der Moderne bilden die entwicklungspsychologischen Implikationen der sogenannten „physiologischen Frühgeburtlichkeit“ (Portmann 1969), die zur Folge haben, dass ein Großteil der Hirnentwicklung außerhalb des Mutterleibs und damit schon in einer realen Beziehung zur Mutter und zum familiären Umfeld erfolgt. Diese Beziehung vollzieht sich in der Funktionalität eines unreifen Gehirns, das eben die reale Situation nicht erfassen und innerlich repräsentieren kann. Sie vollzieht sich in einer durch die Bezirke des Stamm- und Mittelhirns bestimmten Weise des Erlebens, die sich in etwa als eine magisch-mythische Allverbundenheit erfassen lässt, wie dies als fötales Erleben im Rahmen der „Bindungsanalyse“ als „traumartiges Bewusstsein“ (Janus 2021c) entdeckt und in vielen kasuistischen Beobachtungen erfasst wurde Blazy (2015). Innen und außen fließen wechselseitig ineinander: innere Wahnehmungen von Gefühlen und Befindlichkeiten scheinen von außen zu kommen, äußere Wahrnehmungen und Befindlichkeiten scheinen von innen zu kommen. Es besteht wegen der Unreife des Hypothalamus nur eine rudimentäre Innenaußendifferenzierung. Deshalb ist das Kind nach der Geburt und noch bis weit in das zweite Lebensjahr wegen seiner mangelhaften Realitätswahrnehmung elementar auf eine reflexive emotionale Koregulation durch seine Beziehungspersonen angewiesen. Wie elementar das Kind auf diese Koregulation angewiesen ist, verdeutlichen die sogenannten Still Face – Experimente. Relativ kurzfristige mimische Starrheit der Mutter stürzt das Kind in elementarer Verzweiflung, weil es aus sich heraus wegen seiner neurologischen Unreife keine Kohärenz bewahren kann.
Diese Situation bedeutet, dass für den Menschen das fötale Selbst wegen dieser Besonderheit seiner frühen Entwicklung das eigentliche Kernselbst ist, das nach der Geburt wegen seiner neuronalen Unreife seine Kohärenz nur unter der Bedingung der Präsenz der Beziehungspersonen und reflexiven emotionalen Koregulation wahren kann. Nach der Geburt fühlt sich das Kind, um es noch einmal zu wiederholen, nur wirklich, wenn die mangelhafte neurologische Funktionalität durch die Eltern, die ihm aus seinem magisch-mythischen Erleben heraus als ‚höhere Wesen‘ erscheinen, ausgeglichen wird.
In den Erwachsenen lebt dieses frühe Erleben in zeittypischer Weise fort. Auf der Ebene der Stammesreligionen drückt sich das in deren Geister- und Dämonenglaubens aus und später in den verschiedenen Formen der durch ein mythisches Erleben geprägten Religionen, für die in der Jungsteinzeit ein matriarchaler Charakter vermutet wird (Gimbutas 1996, Meyer-Seethaler 1983, 2011, Göttner-Abendroth 2019, Janus et al. 2019), bis es dann in Mesopotamien zur Ausbildung der eindeutig kriegerischen patriarchalen Religionen und staatlichen Strukturen kommt (Lerner 1995).
In diesen Religionen spiegelt sich unmittelbar die innere Verfassung und das Beziehungserleben des Kindes nach der Geburt in dem elementaren Dilemma wider, sich neurologisch unreif schon in der realen Außenwelt zu befinden und deshalb auf den Ersatz der fehlenden Hirnfunktionen durch ein elterliches Wesen mit reifer Hirnfunktion angewiesen zu sein. Diese Angewiesenheit geht eben weit über das in der modernen Bindungsforschung erfasste instinktive Bindungsbedürfnis hinaus, indem sie eine basale Funktionalität betrifft, deren Fehlen als ein Zusammenbruch der inneren Kohärenz und als ein Sterben erlebt wird. Diese Situation wird auf Seiten der Mutter durch eine instinktives mütterliches Fürsorgeverhalten reguliert und mehr oder weniger kompensiert. Ergänzend bedeutsam ist ein prosoziales Schutzverhalten der Männer, die die so fragile Mutter-Kind-Einheit zu schützen suchen (Trevathan 1987, 1990).
Die beschriebene Besonderheit der Unreife bei der Geburt hat nun die Folge, dass der damit verbundene magisch-mythische Umweltbezug im Laufe der individuellen Entwicklung durch die allmähliche Hirnreifung und die beginnende Funktionalität der kortikalen, insbesondere der präfrontalen Bereiche und durch den damit möglichen realistischeren Wirklichkeitsbezug immer mehr in den Hintergrund tritt. Dieser magisch-mythische Bezug bleibt aber weiter im Verhältnis zur Welt insgesamt in einer basalen Weise wirksam, wie das im Spiel, im Erleben der Märchen und in der Faszination durch Phantasiewelten deutlich wird. Aber auch im Lauf der Menschheitsentwicklung bleibt der anfängliche magisch-mythische Weltbezug, wie er für die animistischen Stammeskulturen typisch ist, weiter wirksam. Das findet in den späteren Religionsbildungen und deren gesellschaftlichen Repräsentanten seinen Ausdruck, wie ebenso in den religionsartigen Ideologien des letzten Jahrhunderts. Sie alle sichern gewissermaßen die emotionale Sicherheit im Bezug zur Welt (MacGregor 2020), während aus der Motivation, die Welt so umzugestalten, dass sie die zu früh verlorene Mutterleibswelt gewissermaßen ersetzen kann, die reale Welt mit den Mitteln der durch den präfrontalen Kortex möglichen realistischen Welterkenntnis zunehmend durch technische, wirtschaftliche und soziale Erfindungen umgestaltet wird, damit sie sich nicht nur so wie die zu früh verlorene Mutterleibswelt anfühlt, sondern diese auch real ‚ist‘, indem sie eigentlich urtümlich fötale Bedürfnisse nach Gewärmt-werden, Genährt-werden, Getragen-werden und umfassendem Versorgt-werden erfüllt. Die genannten Erfindungen erfüllen also eigentlich fötale Bedürfnisse, deren Erfüllung uns eine innere Kohärenz und Kohärenz in den Beziehungen ermöglicht (Janus 2018a, 2021b).
Die geschichtliche Entwicklung verläuft nun so, dass die beschriebene Elternabhängigkeit auf der Ebene der Stammeskulturen lebenslang durch die gesellschaftliche Dominanz der magischen Rituale erhalten bleibt, wie ebenso in den mythischen Kulturen in Bezug auf die göttlichen Personen, die das irdische Geschehen bestimmen. Hier besteht jedoch zunehmend eine Reflexivität und Handlungsfähigkeit, die die zivilisatorische Entwicklung ermöglicht, aus der heraus sich die Menschen zunehmend ihrer eigenen Handlungsfähigkeit bewusst werden, wie dies anfänglich in der griechischen und römischen Kultur geschah, und dann wachsend in Westeuropa im Rahmen der Aufklärung mit der „Mutation des Bewusstseins“ (Obrist 1988), die zu einem Dominantwerden einer rationalen Orientierung und der Erreichung einer eindeutigen Trennung zwischen Innen und Außen führte. Wesentlich waren dabei die Entwicklung der Wissenschaft, die zunehmende Entdeckung der realen Welt in den Entdeckerfahrten und die Entwicklung von verantworteten gesellschaftlichen Strukturen in den Städten.
Dennoch blieb das magisch-mythische Segment im Weltbezug, wie gesagt, weiter wirksam, zum einen dadurch, dass die Könige und Kaiser als Repräsentanten dieses Segments noch eine gesellschaftlich bestimmende Funktion behielten, zum anderen dadurch, dass in den sich entwickelnden Nationen der magisch-mythische Bezug in einer sprachlichen Gemeinsamkeit erlebt wurde. Nationen fanden weithin in der Muttersprache ihr Einheitsgefühl. Dabei ist die Muttersprache schon vor der Geburt ein prägender Eindruck und wird zutiefst in das Selbstgefühl aufgenommen (Meiello 1999, Merkel 2000, 2007). Darauf beruht die so große einigende Kraft der Sprache, die den Nationen ihre emotionale Evidenz verleiht. Die früheste elementare Abhängigkeit von der Mutter überträgt sich damit auf die durch die gleiche Sprache erlebte Gemeinschaft. Während davor die primären Elternbedürfnisse der Kinder an Sicherheit und Aufgehobenheit an die Könige und Kaiser gebunden waren, binden sie sich jetzt an die Magie der schon vorsprachlich im Mutterleib gehörten Sprache, die deshalb, wie Heidegger formulierte, als ein „Haus des Seins“ erlebt werden kann. Ergänzend kamen dazu die religionsartigen Ideologien des Kommunismus oder des Faschismus, die sich aus den verschiedenen gesellschaftlichen sozialen Entwicklungen im 19. Jahrhundert als Verheißungen einer seligen Gemeinsamkeit entwickelt hatten.
Aus diesen psychologischen Beobachtungen und Überlegungen ergibt sich also dadurch eine innere Kontinuität der Selbstkonstitution des Menschen, dass er in seinem Weltverhältnis eine innere Kontinuität zur vorgeburtlichen Lebenswelt aufrecht erhält: so wird auf der Ebene der Stammeskulturen die Welt unmittelbar als Mutterleib belebt und erlebt, zu der man sich in einer „participation mystique“ (Lévi-Bruhl 1922) fühlt; später gewinnt dieser Bezug auf der Ebene der matriarchalen Kulturen in der Verehrung der ‚Großen Göttin‘ einen personaleren Charakter, indem alles Weltgeschehen als Wirken und Präsenz der Urmutter erlebt und verstanden wird, wie man selbst aus einer Mutter entstanden ist und darum zu ihr in einer urtümlichen Verbindung bleibt. Im Erleben der danach folgenden patriarchalen Kulturen steht die im Laufe der Kulturentwicklung immer mehr ausgebildete eigene Handlungsfähigkeit im Vordergrund, was sich mit dem männlichen Selbsterleben, etwas machen zu können, verbindet. Ein männlicher Gott macht die Welt und schafft den Menschen aus Lehm, was mit einer irrealen Verleugnung des weiblichen Anteils am Lebensgeschehen verknüpft ist, die dann durch Unterdrückung, Entwertung und Ausgrenzung aus dem öffentlichen Leben quasi ‚bewiesen‘ wird. Darum kann aus dieser patriarchalen Mentalität heraus bis ins letzte Jahrhundert Gewalt, wie auch beispielhaft in Form der beiden Weltkriege, als ‚Lösung‘ erscheinen. Paradigmatisch ist dieses Gewaltverhältnis zur Welt in Genesis 1 formuliert: „Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel im Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.“ Damit sind gewissermaßen alle Formen männlichen Größenwahns von der höchsten Instanz eines allmächtigen männlichen Gottes legitimiert, wie dies ja auch von den Heroen der patriarchalen Geschichte von Alexander über Caesar bis zu Napoleon und Hitler ausgelebt wurde, eben in Resonanz mit der patriarchalen Mentalität.
3. Die neuen Potenziale der demokratischen Mentalität der Moderne
Insofern wir jetzt in der westlichen Welt demokratische Verfassungen haben, die auf der Verantwortung des Einzelnen für sich selbst, für seine Beziehungen und für die Gestaltung der Gesellschaft gründen, haben wir mentalitätsgeschichtlich eine neue Situation, auch wenn wir mit den sogenannten Querdenkern und Verschwörungstheoretikern immer noch ideologisch patriarchal geprägte Teile der Bevölkerung haben, die sich in einer konflikthaften Abhängigkeit von einer allmächtigen Autorität erleben, wo also keine wechselseitige Einfühlung und wechselseitiges Verstehen möglich ist. Demgegenüber kann die neue Außenministerin Annalena Baerbock im Sinne der neuen Mentalität sagen, es gehöre zur diplomatischen Kunst, sich in die Situation des anderen hineinversetzen zu können.
Genau das war in den früheren religiösen oder ideologisch geprägten Gesellschaften nicht möglich, weil man letztlich immer noch in einer Art ‚kindlich‘ geprägten Abhängigkeit an elternartige höhere Instanzen gebunden war, wie dies etwa eine Frau in der Zeit des Nationalsozialismus formulierte: „Herr Gott, ich danke dir, dass du uns mit Adolf Hitler einen Führer gegeben hast, damit wir uns in unserem Leben zurechtfinden“. Natürlich war die Fähigkeit zur Einfühlung auch in früheren Zeiten schon bei Einzelnen verwirklicht, aber im staatlichen Rahmen lag die Entscheidung bei dem höheren Wesen des Königs oder des Kaisers und man hoffte, dass sie von diesen auch verantwortet war, weil man sich eine eigene Verantwortung noch nicht zutraute. So war etwa das Bürgerliche Gesetzbuch durch die Autorität des Kaisers legitimiert: „Fridericus secundus vult“. Interessant ist, dass das Wort „Einfühlung“ erst in der Zeit der Romantik gesellschaftliche Bedeutung bekam und dann in der englischen Übersetzung als empathy Weltgeltung gewann und schließlich als Empathie in den deutschen Sprachraum zurückgeholt wurde. Damit beginnt ein weiblich-mütterliches Potenzial gesellschaftlich wirksam zu werden.
Vielen ist jedoch nicht ausreichend klar, dass die persönliche Verantwortung des Einzelnen für sich selbst und seine Beziehungen eine Auseinandersetzung mit der komplexen eigenen Geschichte und dem eigenen Individuationsweg vom Baby, und sogar von der Zeit des Kindes vor der Geburt an, über die Kindheit, die Adoleszenz bis hin zum Erwachsenen erfordert (Grille 2019). Dieses Erfordernis, das in den Entwicklungsromanen des 19. Jahrhunderts erstmals formuliert wurde und dann in der modernen Literatur etwa im „Madeleine-Erlebnis“ (Fellmann 2017) von Proust, im „anderen Zustand“ bei Musil (Janus 2021d), in der Malerei der Moderne (Evertz u. Janus 2003, Janus u. Evertz 2008, Evertz 2017) weiter konkretisiert wurde, um dann in den Psychotherapien des 20. Jahrhunderts bis hin zu den neuen Entwicklungen der Erfassung der Erlebnisbedeutung auch der vorgeburtlichen und geburtlichen Erfahrungen im Rahmen der pränatalen Psychologie auf der individuellen Ebene ausgearbeitet zu werden (Schindler 2010, Janus 2013a, 2013b, Evertz u. Janus, Linder 2014, 2022). Diese Erweiterung der inneren Wahrnehmung könnte es auch ermöglichen, die bisherigen Konfliktlösungen durch Gewalt, wie sie im Rahmen der Kriege paradigmatisch zum Ausdruck kommen, in einer neuen Weise zu reflektieren. Im Folgenden soll dies in einzelnen Abschnitten geschehen.
4. Die Psychodynamik des ersten Weltkrieges
Der Ablauf der Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges ist heute in großer Genauigkeit bekannt, sodass zusammenfassende Darstellungen wie die von Christopher Clark (2020) in dem Buch Die Schlafwandler oder von Golo Mann (1929) im entsprechenden Kapitel seiner Geschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg möglich geworden sind. Der Titel Die Schlafwandler bringt zum Ausdruck, dass die damaligen Entscheidungsträger kein klares Gefühl und keine klare Vorstellung von den Motiven und Zielsetzungen ihrer Handlungen hatten, sondern mehr oder weniger affektgesteuert und situativ agierten, sodass ein eigentlich verantwortliches Handeln und ein klarer Realitätsbezug fehlten.
Golo Mann zitiert hierzu den deutschen Reichskanzler Bethmann-Hollweg, der nach dem Krieg auf die Frage, wie es eigentlich zu dem ganzen Geschehen hat kommen können, indem er die Hände zum Himmel hob, antwortete: „Ja, wer das wohl wüsste?“. Er formulierte damit seine elementare Ratlosigkeit auf diese Frage, wie dies auch die anderen Entscheidungsträger so hätten sagen können.
Im Rückblick erscheint mir aus einer psychologischen Perspektive die Antwort einfach: alle Entscheidungsträger handelten aus einem autoritätshaften Mentalitätshintergrund, der zur Klärung von Konflikten nur begrenzt geeignet ist. Es dominierten aus dem Primatenerbe kommende instinktgesteuerte männliche Machteinstellungen, wer jetzt gerade in welcher Weise wen bedroht, bzw. wer wessen Ehre gefährdet. Wir müssen uns ja vergegenwärtigen, dass, besonders in den Kaiserreichen, eine wirkliche Konfliktfähigkeit gesamtgesellschaftlich nur bedingt ausgebildet war und es für Männer bei Gefährdung ihrer Ehre ‚natürlich‘ war, den anderen zum Duell herauszufordern, die Männer sich also eigentlich in einer latenten Todesangst befanden. Auch in der Literatur, so etwa bei Fontanes Effi Briest konnte dieses Verhalten geschildert werden, ohne dass dessen menetekelhafter Charakter wirklich explizit gemacht worden wäre, weil es im heute möglichen Verständnis eine kleinkindhafte affektive Konfliktunfähigkeit dokumentierte und gleichzeitig eine aus dem männlichen Segment des Primatenerbes stammendes triebgesteuertes Rivalitätsverhalten, wie wir das heute aus der biologischen Verhaltensforschung erkennen und wissen können (Tinbergen 1966, De Waal 2009), die sich jedoch erst in der Mitte des letzten Jahrhunderts entwickelte. Es ist nicht so, wie es noch der Soziologe Arnold Gehlen vermutete, dass der Homo sapiens keine Instinkte mehr hätte. Sie sind gerade im kollektiven Verhalten von Gesellschaften der ‚primitive‘ Verhaltenshintergrund, wie das an der Darstellung von Christopher Clark besonders evident wird. Der Eindruck des Schlafwandelns rührt eben daher, dass sich die Entscheidungsträger dieses instinkthaften Hintergrundes ihrer Orientierung und ihres Handelns nicht bewusst waren, sondern sie eben ‚instinktiv‘ rein an Rivalitäts- und männlichen Machtaspekten aus dem Primatenerbe orientiert waren.
Dazu kommt als weitere instinktive Quelle aus dem Primatenerbe ein ‚Jagdinstinkt‘: der zum ‚Feind‘ gewordene Gegner kann deshalb gnadenlos verfolgt und getötet werden, wie dies insbesondere bei den Bombern und der Artillerie der Fall war und ist. Dazu kommt der Instinkt, die eigene Gruppe zu verteidigen und Eindringlinge ins eigene Revier unbarmherzig zu vernichten, wie er im ‚großen vaterländischen Krieg‘ Russlands wirksam war und den existenziellen Widerstand gegen den zunächst so überlegen erscheinenden deutschen Angriff möglich machte.
Die besondere Komplexität der Handlungsstruktur der Entscheidungsträger, die zum Ersten Weltkrieg führte, besteht in der Verquickung dieser männlich triebhaften Aspekte mit klein-kindhaften Motivationen, die aus der enormen Verletzlichkeit des Kindes vor, während und nach der Geburt resultieren und den von Alfred Adler genial erfassten kompensatorischen „Machttrieb“ zur Folge haben (Janus 2022a). Entscheidend ist dabei, dass diese frühen Erfahrungen von Verletzung und Kohärenzverlust mit den ihnen entsprechenden Verängstigungen und affektiver Wut-Aggressionsimpulse wegen der Unreife der höheren Hirnstrukturen nicht reflexiv verarbeitet werden können, sondern eins zu eins als eine existenzielle Wirklichkeit gespeichert werden (Hochauf 2007, 2014). Diese Gegebenheiten bilden den Hintergrund für die basale Angstbestimmtheit des Homo sapiens, die erstmals von Søren Kierkegaard erfasst wurde und deren Erscheinungsformen später auf der philosophischen Ebene des Existenzialismus weiter ausdifferenziert wurden. In der Literatur war es Franz Kafka, der die tiefen Ängste und Schuldgefühle in unserem Erleben paradigmatisch darstellte. Durch die Psychotherapien des 20. Jahrhunderts wurde diese basale Angst dann auf der individuellen Ebene erfasst und beschrieben, zunächst in ihrer Präsenz im Verhältnis zum Vater durch Sigmund Freud und dann in ihrer Präsenz im Verhältnis zur Mutter durch Otto Rank und später dann im Rahmen der pränatalen Psychologie und der Humanistischen Psychologie.
Diese basale Angst der Mitglieder menschlicher Gesellschaften fand in der patriarchal bestimmten Geschichte eben ihre Kompensation individuell und kollektiv in den überkommenen Macht- und Gewaltstrukturen, die sowohl das familiäre wie auch das gesamtgesellschaftliche Leben prägten. Deren aus dem Instinktprogramm kommende Evidenz beruht darauf, dass in einer Primatengruppe das dominierende Männchen für alle, die ihm folgen, eine Art Sicherheit herstellt. Der Hintergrund für diese Sicherheit besteht in seiner überlegenden Kraft, alle anderen Männchen durch Gewalt in Schach halten zu können und die Gruppe von eventuellen Eindringlingen von außen zu schützen. Auf diesem Hintergrund erschien eben Gewalt als die ‚einzige‘ Lösung, wie dies paradigmatisch und bis heute noch, in Humanistischen Gymnasien ‚vorbildhaft‘ verehrt, in der westlichen Kultur in der Ilias des Homer dargestellt wurde. Eine Konfliktfähigkeit fehlte in dieser gesellschaftlichen Struktur der Ilias. Später war dann im alten Rom aus den gleichen Strukturen heraus bei Ehekonflikten das Töten der Ehefrau durch die aus der potestas patris kommende Macht legitimiert und konnte darum straffrei bleiben, so fremdartig das heute auch wirkt und wegen der Verehrung der antiken Kultur auch vernebelt wird. Natürlich muss man hier differenzieren und durchaus war Einfühlung bei Einzelnen mehr oder weniger ausgebildet. Sie war jedoch nicht mehrheitsfähig. Die düstere Seite des römischen Reiches wird erst neuerdings von Historikern thematisiert (Sommer 2022).
Aus dieser tradierten patriarchalen Mentalität war für die Mehrheit der Entscheidungsträger in der k. und k. Monarchie der von einem Serben ausgeführte Mord am Kronprinzen ein ausreichender Grund zu einer kriegerischen Niederwerfung der Serben und zur Auslöschung ihres Staates, weil die staatserhaltende Machtstruktur der k. und k. Monarchie angegriffen war und die dadurch ausgelöste Vernichtungsangst nur durch eine Vernichtung des angeblichen Angreifers beseitigt werden konnte. Die damalige autoritätsbezogene Mentalität war nicht zu einer Betrachtung auf der Konfliktlösungsebene in der Lage. Die Romane von Heinrich Mann, Joseph Roth, Robert Musil, Hermann Hesse und anderen hatten begonnen, diese Autoritätsstrukturen zu reflektieren, wurden aber nur in einer liberalen und auf die Werte der Aufklärung bezogenen Oberschicht rezipiert, die dabei war, sich aus diesen Autoritätsstrukturen herauszuentwickeln. Zudem wurden die Strukturen des „Autoritären Charakters“ ja erst in den dreißiger Jahren systematischer reflektiert (Reich 1933, Adorno u. Horkheimer 1988). Auch steht eine wirkliche Verknüpfung dieser Forschung mit den Befunden der Verhaltensforschung zu den männlichen Hierarchiestrukturen in Primatengruppen noch aus.
Darum konnte es nicht anders sein, dass die Entscheidungen einfachen Machtgesichtspunkten folgten. Was der Erklärung bedarf, ist das Ausblenden der katastrophischen Folgen der Entscheidungen für zahllose Menschen und insbesondere auch für die Mehrheit der Mitglieder der eigenen Gesellschaft. Da sind mehrere Punkte zu nennen:
Da sind zuerst die hörigen Abhängigkeits- und Gewaltstrukturen in den mittel- und osteuropäischen Ländern zu nennen, in denen es selbstverständlich war, dass die Einen dazu da sind, den Anderen zur Verfügung stehen, die Untergebenen den Obrigkeiten. Diese auf Gewalt beruhenden Strukturen der Kaiserreiche wurden eben durch kleinkindhafte Gläubigkeiten aufrechterhalten, in deren Rahmen noch keine Reflexion möglich ist. Aus der Hörigkeit heraus wird die Gewalt bei Nichtbeachtung des Willens der Herrschaft auch voll akzeptiert. In den Kaisern und dem Adel lebten eigentlich mittelalterliche kleinstkindliche Abhängigkeitsstrukturen weiter, wie sie in auch den früheren Leibeigenschaften ihren Ausdruck gefunden hatten. Diese aus frühestkindlichen Abhängigkeiten stammenden Strukturen hatten noch keine Ebene der reflexiven moralischen Beurteilung. Der Säugling und das Kleinstkind sind den Eltern ausgeliefert, die die Wirklichkeit des Kindes bestimmen. Da die Eltern der traditionalen Kulturen wiederum in dem genannten Abhängigkeitsverhältnis zu den Obrigkeiten standen, also in unserem Sinne nicht erwachsen und selbstbestimmt waren, verfügten sie auch nicht über eine wirkliche reflexive Einfühlung in ihre Kinder, was sich erst im 20. Jahrhundert und letztlich erst in dessen zweiter Hälfte entwickelt hat, wie dies die psychohistorische Forschung der Geschichte der Kindheit erschlossen hat. Die Brutalität deutscher Kindererziehung, wie sie erst in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts bewusst wurde, gerät immer wieder aus dem Wahrnehmungshorizont (DeMause 1996, Ende 1979). Ihr Verständnis ist aber die Voraussetzung zum Verständnis der oben genannten Abhängigkeits- und Gewaltstrukturen, die eine Reinszenierung der Brutalität der Kindheitserfahrungen auf der gesellschaftlichen Ebene sind (DeMause 2000, Fuchs 2019, Janus 2021d).
Ein wieder anderer Aspekt besteht darin, dass Großgruppen, in denen man sich persönlich nicht kennt, durch ganz frühe und letztlich pränatale Verbundenheitsgefühle zusammengehalten werden. In der patriarchalen Tradition beziehen sich die Verbundenheitsgefühle auf den archaischen Vater, der letztlich jedoch seine ‚Macht‘ aus der primären Verbundenheit mit der Mutter bezieht. Bei einer Infragestellung dieser imaginären Verbundenheitsgefühle können ganz archaische Ängste und Vernichtungsimpulse mobilisiert werden. Auch auf dieser Ebene gibt es keine Aspekte der Moralität oder der reiferen Einfühlung. Das Erleben wird von archaischen Geburtsängsten von Enge, Umschlingung, Erdrückt-werden, Erstickt-werden usw. bestimmt und beeinflusst die militärischen und politischen Entscheidungen, wie es der amerikanische Psychohistoriker Lloyd deMause (1996, 2005a) paradigmatisch erfasst und beschrieben hat.
Ein noch weiterer Aspekt ist die Starrheit der überkommenen Herrschafts- und Autoritätsstrukturen, die keine Möglichkeit boten, auf Änderungen konstruktiv zu reagieren, weil sie gefühlsmäßig die von dem höheren Wesen des von Gott eingesetzten Kaisers und seinen irdischen Repräsentanten ausgehende Sicherheit und damit die Ursicherheit einer Verbundenheit mit der schützenden und erhaltenden Mutter als einer „Urheimat“ (Janus 2017) am Lebensanfang suggerierten. Aber da der zivilisatorische Prozess mit seinen immer neuen Erfindungen die Lebens- und Handlungsgrundlagen fortlaufend veränderte, konnten sich die damit verbundenen strukturellen Veränderungen in den Gesellschaften nur über Revolutionen und Kriege vermitteln. Die Starrheit der autoritären Strukturen fand in der Einrichtung des Militärs ihren paradigmatischen Ausdruck. Aus dem Primatenerbe heraus erschien einer ‚Wehrmacht‘ angesichts einer Bedrohung von außen das Töten und Vernichten der Feinde als einzige Möglichkeit, das Überleben zu sichern. Dem diente die gesellschaftliche Institution des Militärs, und seine Verankerung hatte es in der Schicht der Offiziere, die sich dem Dienst in dieser Institution verschrieben hatten. Es war ja auch ein Stolz, einer Offiziersfamilie anzugehören. Das aus heutiger Sicht Bizarre dieser Institution bestand darin, dass in ihrem Rahmen keine Einsicht möglich war, dass Gewalt eine unglaubliche destruktive ‚Lösung‘ von Konflikten war. Heute können wir einsehen und verstehen, dass eigentlich die Fähigkeit zu einer Infragestellung eigener Positionen und eine Einfühlung in die Position des anderen erforderlich sind, um auf diese Weise eine vermittelbare Lösung zu finden. Das verlangt aber letztlich die Kraft zu einer Transformation, die sich als das Goethesche innere „Stirb und Werde“ vollzieht. Wegen der Unfähigkeit zu einer inneren Repräsentanz des Konflikts musste seine innere Dynamik in einer Kriegsinszenierung ausgelebt werden. Diese hatte auch transformatorische Aspekte, wie etwa der Wandel von den Strukturen der Kaiserreiche zu demokratischen Strukturen und die neuartige Orientierung an einer Selbstbestimmung der Nationen zeigen. In dieser Sicht ist das Kriegsgeschehen eine Art konkretistisches „Stirb und Werde“. Um diese Dynamik noch besser zu verstehen ist ein Exkurs zu der diese Dynamik bestimmenden Dichotomie von zwei verschiedenen Bewusstseinszuständen erforderlich.
5. Exkurs I zu den zwei Zuständen unseres Bewusstseins
Seit Anfang dieses Jahrhunderts gibt es eine neue Forschung zu zwei unterschiedlichen Bewusstseinszuständen, auf die wir uns innerlich beziehen und die miteinander interagieren (Raichle 2010a, 2010b). Der Physiker Stefan Klein (2021, S. 133 ff.) hat sie in einer guten Weise zusammengefasst: „Der eine Bewusstseinszustand entspricht dem bekannten rationalen Denken. Diesen Zustand nennt man üblicherweise Modus Zwei. Das Gehirn nimmt Signale der Umwelt auf, macht Pläne, plant die nächsten Handlungen und gibt dem Organismus Befehle. Die Abläufe sind bewusst und erscheinen logisch. Das Denken richtet sich auf ein Ziel, verläuft schlussfolgernd, gehorcht nachvollziehbaren Regeln und schreitet langsam, in kleinen Schritten voran. … Das Denken bleibt dabei in engen Bahnen. Denn Modus Zwei zielt auf Verlässlichkeit und Berechenbarkeit ab. Modus Eins hingegen ähnelt vielmehr dem Traum. Obwohl wir wach sind, ist die Sinneswahrnehmung stark eingeschränkt, die Aufmerksamkeit hat sich auf eine Innenwelt von Vorstellungen und Tagträumen, Erinnerungen und Gedankenfetzen verlagert. … Inhalte des Denkens sind in Modus Eins mehr Bilder und Gefühle als Worte. … Modus Eins und Modus Zwei sind objektiv messbar“ – und werden bei den Messungen der Hirnaktivität einerseits als „Exekutivnetzwerk“ (Modus Zwei) und andererseits als „Beziehungsnetzwerk“ (Modus Eins) bezeichnet. „Jeder Mensch mit einem intakten Gehirn gebraucht gleichermaßen beide Hemisphären für seinen Verstand“. In den neunziger Jahren hatte man das Rationale der linken Hemisphäre zugeordnet und das Emotionale der rechten Hemisphäre. Die neueren Untersuchungen sprechen eben für ein Interagieren der beiden Bewusstseinszustände, die letztlich schon Sigmund Freud (1911) als „Zwei Prinzipien des psychischen Geschehens“ beschrieben hatte, und zwar als „Primärvorgang“ (Modus Eins) und „Sekundärvorgang“ (Modus Zwei).
Ich möchte nun diese neuropsychologische Forschung durch eine entwicklungspsychologische Vermutung ergänzen: es erscheint mir plausibel, den Modus Eins mit der Modalität des traumartigen Bewusstseins im ‚extrauterinen‘ Frühjahr in Verbindung zu setzen, während der Modus Zwei in vollständigerer Weise erst im Zusammenhang mit der Reifung des präfrontalen Kortex mit 4-5 Jahren als theory of mind erreicht wird; dadurch sind wir in der Lage, uns ein realistisches Bild von uns und der uns umgebenden Wirklichkeit zu machen. Modus Eins entwickelt sich also in der Anfangszeit des Lebens als Besonderheit beim Menschen als Beziehungsmodalität eines unreifen Hirns, was in konstruktiver Spannung zur später sich entwickelnden Funktionalität des Modus Zwei steht. Dessen Dominanz als einer Orientierung an der Vernunft entwickelt sich in der heutigen Form ja erst nach der Aufklärung. Im Laufe dieser Entwicklung wird dann eine eindeutige Trennung zwischen außen Beobachtetem und innen Beobachtetem möglich. Wegen des mehr ganzheitlichen, emotionalen und intuitiv-assoziativen Bezuges hat der Modus Eins die Möglichkeit, Vielerlei miteinander in Verbindung zu bringen, was dann im Wechselspiel mit Modus Eins kreative Neukombinationen erlaubt, wie sie die kollektive und individuelle Entwicklung prägen. Modus Eins, wie er von der Tradition her im magisch-mythischen und religiösen Welterleben präsent ist, hat die Qualität, die frühe Verbundenheit mit Vater und Mutter und damit mit der ganzen Welt gefühlsmäßig wieder herzustellen oder daran anzuschließen. Deshalb geht es in den mythischen und magischen Weltbildern darum, die jenseitige Welt mit der diesseitigen zu verbinden, also darum, den Himmel mit der Erde, Himmlisches und Irdisches miteinander als Vergegenwärtigung primärer Sicherheit zu verbinden. In der Psychoanalyse waren, wie gesagt, die beiden Funktionszustände schon früh als „Primärprozess“ und „Sekundärprozess“ beschrieben worden, aber noch ohne die hier von mir genauer ausgeführten entwicklungspsychologischen und psychohistorischen Bezüge. Die hirnphysiologischen Befunde sind eine sehr schöne Bestätigung der psychoanalytischen Beobachtungen und Schlussbildungen.
Die erwähnte Verbindung der vorgeburtlich-jenseitigen mit der nachgeburtlich-diesseitigen Welt war also die Funktion der religiösen Institutionen und der mit ihnen verbundenen Rituale und Feiern und ebenso die Funktion einer ‚heiligen‘ Obrigkeit, die einen beschützt, mit den damit verbundenen irdischen und gesellschaftlichen Arrangements. Wir brauchen beide Bezüge und jede Zeit hat dafür ihre jeweils typischen Gestaltungen gefunden. Man kann es als genuin menschliche Kreativität ansehen, sich durch den Bezug auf das frühkindliche Einheits- und Sicherheitserleben mit den Eltern in einer real unsicheren Welt trotzdem gefühlsmäßig sicher und geschützt zu fühlen. Neben den religiösen Welten konnte das auch die Welt der Jenseitswelten der Märchen sein, aus denen die Helden gestärkt wiederkehren (Janus 2011a, S. 172 ff.), wie auch in unserer Zeit die Welt der Fantasy Spiele (Janus u. Janus 2017). Die entscheidende von der Aufklärung initiierte Chance moderner Mentalität besteht darin, dass der früher von der Kirche und der Obrigkeit beanspruchte Zugriff auf die Funktionalität des Modus Eins in jedem Mitglied der Gesellschaft, nun im Sinne der Selbstbestimmung in die Verantwortung eines jeden ‚mündigen‘ Bürgers gelegt ist. Das ist nur bei persönlicher Reife möglich und eben Sozialisationsbedingungen, die es der Mehrheit erlauben, eine persönliche Reife zu erreichen.
Dieser Exkurs zu den zwei Bewusstseinszuständen ermöglicht einen weiteren Exkurs zu den damit verbunden Ich-Zuständen, der erforderlich ist, um die bisher so schwer zu erfassende Dynamik im Kriegsgeschehen zu verstehen.
6. Exkurs II zur Dichotomie der beiden basalen Ich-Zustände
Die fundamental unterschiedlichen Befindlichkeiten eines Selbsterlebens von vitaler Kraft und Eigenmächtigkeit vor der Geburt zum Wechsel eines Zustands großer Hilflosigkeit und Ohnmacht nach der Geburt spiegelt sich in den religiösen Vorstellungen, dass es eine Dimension von paradiesischer Allverbundenheit und eine dieser entgegengesetzten Dimension von hilfloser und schuldbeladener Kreatur gibt. Dieses Erleben ist wegen der neuronalen Unreife durch die Funktionalitäten des Stamm- und Mittelhirns bestimmt. Eine realistische Erfassung der Wirklichkeit des Übergangs von der vorgeburtlichen zur nachgeburtlichen Welt ist in diesem Rahmen nicht möglich. Alles verbleibt auf einer Empfindungs- und Gefühlsebene ohne Differenzierung von Innen und Außen. Die Folge davon ist, dass das Kind aus seiner vorgeburtlichen Vitalität heraus die Wahrnehmung der Welt bei seiner Geburt so erlebt, als ob es selbst diese Welt erschaffen hätte, wie sich das in den religiösen Vorstellungen von einem Gott, der die Welt schafft, spiegelt, siehe Genesis 1: „Und Gott sprach, es werde Licht, und es ward Licht“. Es ist die Kraft des Kindes, das sich mit Hilfe der Mutter zur Welt schafft, und deshalb „ward es Licht“. Die betrübliche Erfahrung von Hilflosigkeit und Ohnmacht nach der Geburt wegen der neurologischen Unreife hingegen führt dazu, dass diese Vorstellung, die Welt gemacht zu haben, auf die andere Erlebnisebene einer ‚höheren Wirklichkeit‘ oder einer ‚Traumzeit‘ versetzt wird, aber man so in einem inneren Bezug dazu bleiben kann. Das vorgeburtliche Selbst konstituiert die Vorstellung eines Gottes und überbrückt so den Abgrund der durch die zu frühe Geburt bedingten Ohnmacht und Hilflosigkeit. Es ist wiederum die genuin menschliche Kreativität, das gesellschaftlichen Leben als eine Vergegenwärtigung dieser urtümlichen Konstellation zu gestalten, also als Wechselspiel zwischen den Königen und Päpsten als Vertretern pränataler Allmacht und dem Volk als Vertreter nachgeburtlicher Hilflosigkeit und Angewiesenheit. Das ist eine im Modus Eins evidente sicherheitsgebende kulturelle Gestaltung, an der alle in unterschiedlicher Weise beteiligt sind. Die Potenziale aus Modus Zwei ermöglichen es, diese aus den Empfindungen und Gefühlen frühen Erlebens gewachsene Inszenierung auch als Gestaltung in der Welt real werden zu lassen und die Welt beispielsweise durch Ackerbau und Viehzucht und städtische Siedlungen so umzuformen, dass diese Inszenierung einerseits anschaulich und glaubhaft wird und gleichzeitig auch den realen Gegebenheiten und den Möglichkeiten der Menschen entspricht (Crisan 2013).
Eine Urform dieser gesellschaftlichen Gestaltungen hat der Psychohistoriker Horia Crisan (2015) als „Die intrauterine Beziehungsmatrix: Das indische Paradigma unbewusster Organisationsschemata gesellschaftlicher Strukturen“ beschrieben. Diese „Beziehungsmatrix“ bildet danach das Organisationsschema gesellschaftlicher Strukturen als Vergegenwärtigung früher Einheits- und Sicherheitserfahrung und ist das Bindemittel für deren inneren Zusammenhalt. Das ist der Hintergrund dafür, dass Veränderungen dieser Strukturen geburtssymbolisch als Überlebenskampf oder Krieg ausgetragen werden, wie dies Stanislav Grof (1983), David Wasdell (1993) und insbesondere Lloyd deMause (1996) so eindrücklich beschrieben haben. Dadurch wird aber gleichzeitig auch die transformatorische Kraft im gesellschaftlichen Geschehen wirksam. Paradigmatisch wird dies in den Initiationsriten ausgestaltet, die den Übergang vom Jungendalter zum Erwachsenen seelisch gestalten und begleiten (Janus 2011, S. 167 ff.), wie es in den Märchen als erzählte Adoleszenzprozesse in vielen Variationen erzählt wird, die gewissermaßen im Modus Eins dieses Geschehen beschreiben. Nach herkömmlicher Auffassung erfolgen diese Beschreibungen auf einer unwirklichen Phantasieebene kreativer Imagination. Durch die Erkenntnisse der pränatalen Psychologie können wir heute den realen Bezug dieser Imagination in den ganz konkreten Erfahrungen in der Mutter-Kind-Beziehung erkennen, die eben in den historischen Kulturen, insbesondere im Patriarchat, traumatisch belastet sind, was in einem eigenen Exkurs dargestellt werden soll.
7. Exkurs III zu den traumatischen Belastungen in der vorgeburtlichen Zeit, der Geburt und der Zeit danach
Diese Thematik war schon ansatzweise zur Sprache gekommen und soll jetzt in diesem Exkurs noch vertieft werden. Im Rahmen der pränatalen Psychologie liegen hierzu ausführliche kasuistische Beobachtungen vor, auf die hier nur summarisch hingewiesen werden soll. Für mich eindrucksvoll waren immer die Interviews mit Müttern von Mördern, die über die katastrophische Gewaltbelastung in der Schwangerschaft der Mütter mit den Kindern, die später zu Gewalttätern wurden, berichteten (Gareis u. Wiesnet 1974). Eine ausführliche Übersicht gibt auch das von Grigory Brekhman und Peter Fedor-Freybergh herausgegebene Buch The Phenomen of Violence (2005) und ebenso der Artikel von Andreas Zöller „Pränatale Psychologie und Gewalt“ (1999). Erst in den letzten Jahren gibt es eine Forschung zu den Auswirkungen vorgeburtlicher Belastung auf die Hirnentwicklung, und zwar in Form einer Vergrößerung der Amygdala und einer geringeren Entwicklung von Hypothalamus und präfrontalem Kortex. Das könnte auch ganze Gesellschaften mit ihren Geschichten von kontinuierlicher Gewalt betreffen. Das gäbe der Schwierigkeit der russischen Gesellschaft, sich aus ihren geschichtlich bedingten Gewaltstrukturen herauszuentwickeln noch einen organischen Hintergrund. Allein aus dem Ausmaß von pränatalem Stress kann man Schwierigkeiten in der Stressregulation vorhersagen (Mareckowa et al. 2018, Scheinost et al. 2017, Van den Bergh et al. 2017). Die Verformung der affektiven Regulation durch nachgeburtliche und wahrscheinlich auch vorgeburtliche Traumatisierung zeigt auch der aktuelle Film Systemsprenger, den ich besprochen habe, um auf diese Zusammenhänge hinzuweisen (Janus 2021a). Die Einsicht in die lebensgeschichtliche Bedeutung der traumatischen Belastungen in der Anfangszeit des Lebens, ermöglichte es dem amerikanischen Psychohistoriker Lloyd deMause seine fundamentale Arbeit „Restaging Fetal Traumas in War and Social Violence“ (1996) zu diesem Thema zu schreiben. All diese Aspekte sind für ein Verständnis der ungeheuren Komplexität eines Kriegsgeschehens erforderlich, womit ich zu dem Ausgangsthema der Psychodynamik des Zweiten Weltkrieges zurückzukehre.
8. Psychodynamik des Zweiten Weltkrieges
Der Erste Weltkrieg hatte in der Ungeheuerlichkeit seiner Gewaltinszenierungen die Verbrämung der Gewalt in den gesellschaftlichen Strukturen der Kaiserreiche und der Kirchen gewissermaßen offengelegt, wodurch sie ihre Glaubwürdigkeit als emotionale Schutzmächte verloren. Es war offensichtlich geworden, dass die Lösung sozialer Konflikte durch Gewalt keine ‚Lösung‘ brachte, sondern durch die Kollateralschäden neue Probleme schuf. Die intensive Reflexion der Konflikte in persönlichen und sozialen Beziehungen in der Literatur im 19. Jahrhundert machte es möglich, im Rahmen der sich im 20. Jahrhundert entwickelnden Psychotherapien auch auf die ganz persönlichen Hintergründe von Konflikten in Belastungen in der eigenen Lebensgeschichte zu reflektieren. Das vollzog sich anfangs im Rahmen der immer noch durch patriarchale Strukturen geprägten Psychoanalyse Freuds an den Konflikten in der Beziehung zum Vater, aber dann doch auch m. E. mit besonderer Klarheit im Rahmen der Psychoanalyse Otto Ranks und der davon ausgehenden Hintergrundstradition an den Konflikten in der Beziehung zur Mutter, insbesondere zu deren vorsprachlicher Dimension (Janus 1989a, 1998b, 2000). Die gleiche Richtung einer Berücksichtigung der Bedeutung der frühen Muttererfahrungen vollzog sich in der Mainstreamtradition der Psychoanalyse aber m.E. gebrochener und an verschiedenen Autoritäten wie Melanie Klein und Wilfred Bion orientiert. Eine eingehendere Diskussion dieser differenten Entwicklung würde die Thematik dieses Beitrags jedoch überschreiten. Ich habe mich an anderer Stelle darum bemüht (Janus 1989). Wegen der größeren Klarheit in Bezug auf die Erlebnisbedeutung vorgeburtlicher und geburtlicher Erfahrungen beziehe ich mich in diesem Beitrag vor allem auf die in dieser Beziehung von Otto Rank und Lloyd deMause eröffneten Perspektiven.
Doch war das Thema und die Möglichkeit einer Reflexion innerer Befindlichkeiten bis in die vorsprachliche Zeit hinein insgesamt nur im Rahmen aufgeklärter bürgerlich-liberaler Bevölkerungsteile präsent, wie sich das in der Literatur, der Philosophie und der bildenden Kunst der zwanziger Jahre und der Moderne vollzog (Janus u. Evertz 2008, Janus 2018a, 2018b, 2019, 2020). Die Mehrheit der Bevölkerung lebte jedoch noch in den überkommenen patriarchalen gewaltgeprägten familiären und sozialen Autoritätsstrukturen. Der den Idealen der Aufklärung verpflichtete Bevölkerungsanteil konnte diese Strukturen beschreiben (Reich 1933, Adorno u. Horkheimer 1988). Doch konnte er sie nicht beeinflusst, da der Mehrheit der Bevölkrung eine Reflexion innerer Befindlichkeiten noch nicht oder nur zu begrenzt möglich war. Ein wesentlicher Hintergrund dafür war das selbstverständliche Schlagen der Kinder und das Durch-schreien-lassen der Säuglinge, worin die fehlende Empathie und Einfühlungsmöglichkeit in die Bedürfnisse der Kinder in der Anfangszeit ihres Lebens zum Ausdruck kamen. Die Brutalität und Gewalt im Umgang mit Kindern als Hintergrund für deren Reinszenierung im Kriegsgeschehen wurde von Lloyd deMause in seinem Artikel „Die Ursachen des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust“ (2001) eindrucksvoll beschrieben. Erst in den siebziger Jahren kam es hier zu gesellschaftlichen Veränderungen im Sinne einer zunehmenden Einfühlung, sodass uns heute im Rückblick die damalige familiäre Gewalt und Missachtung der basalen Säuglingsbedürfnisse fremdartig und sogar bizarr vorkommen. Die übliche Zuordnung zu den Nazis verkürzt die Sicht auf die damalige Wirklichkeit. Es ist eher umgekehrt, die nationalsozialistische Bewegung konnte sich ja nur durchsetzen, weil sie die familiäre Gewalt in gewalttätiges gesellschaftliches und politisches Handeln umsetzte. Das betraf im Kern zwar nur etwa ein Drittel der Bevölkerung, schlug aber ein weiteres Drittel in den Bann, sodass sie zu „Mitläufern“ oder „willigen Helfern“ wurden.
Die absolute emotionale und soziale Verantwortungslosigkeit der durch männliche Machtinstinkte bestimmten Entscheidungsträger des Ersten Weltkrieges hatte zudem einen Großteil der Soldaten zutiefst traumatisiert und orientierungslos gemacht, so dass sie das in ihnen wirksame und ja von den politischen Machthabern offensiv vertretene Gewalthandeln in den Gewalttätigkeiten der Milizen und den Straßenkämpfen der Zwanziger Jahre auslebten, weil eine Reflexion innerer Befindlichkeit und Verantwortung für das eigene Handeln auf diesem Hintergrund und unter diesen Gegebenheiten gar nicht möglich war. All das führte zu einer Wiederholung des Modells einer Konfliktlösung durch Gewalt, wie es im Ersten Weltkrieg schon durchexerziert worden war. Dabei ist es nun so, dass dieses durch instinktives männliches Rivalisieren als ein aus dem Primatenerbe kommendes Verhalten nicht nur die Entscheidungsträger in Deutschland bestimmte, sondern diese Strukturen waren auch, wenn auch in geringerem Maße und relativiert durch die demokratischen Ansätze, in den westlichen Staaten wirksam. In der Sowjetunion waren sie ja sogar noch dominant gesellschaftsprägend. Deshalb vollzog sich das Handeln der Entscheidungsträger ebenfalls im Modus des „Schlafwandelns“, wie ihn Christopher Clark für den Ersten Weltkrieg beschrieben hatte, wie dies oben erläutert worden ist. Die Rolle der westlichen Staaten an dem Kriegsgeschehen wird in dem Buch Der Krieg hatte viele Väter beschrieben (Schulze-Rohnhof 2019). Die Orientierung an einem instinktiven Rivalitätsverhalten bestimmte das politische Handeln, aus dem heraus letztlich immer Gewalt als ‚Lösung‘ erschien.
Es ist klar, dass die bisherigen Ausführungen nur einen Teil der abgründigen Grausamkeit in der deutschen Kriegsführung erklären. Ansätze zu einer Erklärung dazu sollen in einem weiteren Exkurs formuliert werden.
9. Exkurs IV zur abgründigen Grausamkeit in der deutschen Kriegsführung
Wir müssen dazu auf die schon erwähnten pränatalen und perinatalen Aspekte im Motivationshintergrund Hitlers und seiner ausführenden Gefolgsleute kommen. Dieser wiederum stand in Resonanz zu einem beträchtlichen Teil der deutschen Bevölkerung stand, eben dem erwähnten geschätzten Drittel der engeren Nationalsozialisten, die primär aus der elementaren Verformung der affektiven Regulation durch vorgeburtliche, geburtliche und nachgeburtliche Traumatisierungen handelten. Die Relevanz dieser Verformungen der affektiven Regulation kennen wir aus der Beobachtung der Entwicklungsbedingungen von späteren Mördern und auch Menschen mit psychotischem Erleben (Gareis u. Wiesnet 1974). Bei den Einzelbeobachtungen ist häufig klar, dass diese belastenden Bedingungen für einen großen Teil der Menschen zutreffen, der in deprivierenden emotionalen Bedingungen aufgewachsen ist. Aber nur in der Einzelbeobachtung werden diese Zusammenhänge direkt und unmittelbar zugänglich. Insofern trifft der Einwand, es handele sich nur um Einzelbeobachtungen und damit um Ausnahmefälle und habe deshalb keine weitere Relevanz, nicht zu. Studien können immer nur Teilaspekte erfassen, nur die Einzelfallbeobachtung kann die volle Komplexität psycho-sozialer Wirklichkeit zugänglich machen.
Ein Kind hat unter den Bedingungen von pränatalen Gewalterfahrungen oder einer fehlenden emotionalen Wahrnehmung durch seine Eltern gar keine andere Möglichkeit, als sich in der Welt vital bedroht zu fühlen, um sich dann, wenn das möglich ist, durch Mordaktionen von dieser Bedrohung zu befreien, oder auch durch absoluten Rückzug. Die Bedingung einer fehlenden Einfühlung vor der Geburt hat der Psychoanalytiker Theodor Hau (1982) als „intrauterinen Hospitalismus“ beschrieben, was erst heute in seiner ganzen Bedeutung vor dem Hintergrund von vieltausendfacher Erfahrung in regressionstherapeutischen Settings erkannt werden kann. In diesen Settings wurden Methoden zu einer inneren Auseinandersetzung mit vorgeburtlichen und geburtlichen Erfahrungen entwickelt. Auf dieses breite Feld von therapeutischen Erfahrungen kann hier nur hingewiesen werden (Janov 1984, Grof 1983, Hollweg 1995, Schindler 2010, Janus 2013a, Evertz, Janus, Linder 2014, 2021). Doch ermöglicht es Verstehensmöglichkeiten für kollektive Situationen.
Eine typische Verarbeitung unverarbeiteter Traumatisierung besteht in der sogenannten ‚Sündenbockreaktion‘, also einer Reinszenierung der eigenen Traumatisierung am anderen, die insbesondere Lloyd deMause am Konzept des social alter (alter ego), an dem das eigene Kinderunglück exekutiert wird, im Einzelnen dargestellt hat (Boelderl 2001, DeMause 2005a). Der „social alter“ ist das geprügelte und misshandelte Kind, das man selbst einmal war. Das ist der Hintergrund für die eigentlich sehr merkwürdigen Entwertungsprojektionen auf die polnische und russische Bevölkerung als „Untermenschen“, die eine Reinszenierung der in der deutschen Erziehung so verbreiteten Entwertung und Demütigung der Kinder als ‚Nichtsnutze‘ ist, aus denen ‚nie etwas werden wird‘ (Erikson 1975).
Wichtig ist auch noch der Gesichtspunkt, dass frühe Erfahrungen sich nur in Form szenischer Vergegenwärtigung zeigen. Das ist ein Teilaspekt der Tatsache, dass diese Zusammenhänge vom rationalen Bewusstsein her so schwer verständlich sein können. Ein Beispiel dafür ist die Vergegenwärtigung früher Vergiftungserfahrungen, die ein nicht seltener Inhalt psychotischen Erlebens sind und eben eine Vergegenwärtigung vorgeburtlicher oder geburtlicher Vergiftungserfahrungen sein können. Sie sind der Hintergrund für die bizarren Tötungsinszenierungen der Nationalsozialisten, in denen Vergiftung durch Auspuffgase und schließlich durch Zyklon B in den ‚Gaskammern‘ erfolgten, die eben aus pränatalpsychologischer Sicht, so seltsam es erscheinen mag, als szenische Vergegenwärtigungen uteriner und perinataler Vergiftungserfahrungen verstanden werden können. Es handelt sich dabei eben nicht um exzentrische Einzelsituationen, sondern um breitere Sozialisationsbedingungen mit entsprechenden Erfahrungen, die erst die Evidenz der kollektiven Inszenierung ermöglichen. Dass diese Tötungsinszenierungen überwiegend nicht in Deutschland selbst, sondern in den eroberten Gebieten Polens und Russlands stattfanden, hat seinen Hintergrund darin, dass es sich um abgespaltene und elementar unbewusste Erfahrungen handelt, deren Reinszenierungen deshalb außerhalb des eigenen Landes stattfinden mussten.
Obwohl sie eben von Deutschen durchgeführt wurden, erscheinen sie außerhalb jeder Verstehensmöglichkeit. Dabei ist das ‚heilige Töten‘ oder Opfern ein zentrales Motiv in der menschlichen Kulturgeschichte und sogar als Opfer Jesu das zentrale Paradigma im christlichen Gottesverhältnis. Seinen psychologischen Hintergrund hat es in der Vorzeitigkeit der menschlichen Geburt, die eben erlebnismäßig ihr Vorbild in einem Geborenwerden und zur Weltkommen in Unreife und Hilflosigkeit hat. Um zur Welt und ins Leben zu kommen, muss das Kind die Vollständigkeit des Lebens, das es vor der Geburt hatte, opfern. Indem die Menschen diese Urerfahrung im rituellen Menschenopfer, im stellvertretenden Tieropfer, im symbolischen Opfer des Gottessohnes, im Opfer der Lebensfreude im Puritanismus oder im teilweisen Selbstopfer neurotischen Leides wiederholen, versuchen sie, durch die mehr oder weniger konkrete Wiederholung des Zusammenhangsverlusts mit der vorgeburtlichen Ursprungswelt in eigener Regie die Kontinuität mit dem Ursprung der Existenz zu wahren (Janus 2011, S. 188 ff.). War man ursprünglich Opfer, so gewinnt man sich dadurch wieder, dass man das Opfer selbst durchführt. Eine Leitlinie der Geschichte der Menschheit ist, wie schon Adorno und Horkheimer ausführten, die „Verinnerlichung des Opfers“ (Adorno, Horkheimer 1988). Was bei Adorno und Horkheimer ein intellektuell erfasster Zusammenhang ist, kann erst im Rahmen der pränatalen Psychologie in seinem Erlebniskontext erfasst werden. Dabei hat die neuronale Unreife bei der Geburt die Folge, dass deren Unvermitteltheit nur auf einer emotionalen Ebene als elementare Schuld und Angst verarbeitet werden kann. Im Anfang der Menschheitsgeschichte wird diese ‚Schuld‘ im Opfer reinszeniert und dann später in der angedeuteten Abfolge in den Einschränkungen des Lebens gestaltet, bis sie dann in der frühen Psychoanalyse im ‚unbewussten Schuldgefühl‘ in der elementaren Ängstlichkeit aus den Tiefen des inneren Erlebens kommend erkannt wird. In der späteren Psychoanalyse wird das dann in verschiedener Weise modifiziert: als „Grundangst“ bei Karen Horney, als „paranoiden Position“ in der Psychoanalyse Melanie Kleins oder der „Urkatastrophe“ in der Psychoanalyse Wilfred Bions. Vorher war schon auf der Ebene der Philosophie von Søren Kierkegaard die Angst als ein Paradigma menschlicher Existenz erkannt worden, was von Martin Heidegger mit der „Geworfenheit“ des Menschen in Verbindung gebracht wurde, was auf dem Hintergrund seiner bäuerlichen Herkunft einen indirekten Geburtsbezug hat, insofern dort mit dem Wort ‚Werfen‘ das Gebären bei Tieren benannt wird.
Es ist klar, dass sich hiermit perspektivisch ein weites Feld zum Verständnis der Hintergrundsmotivationen politischen Handelns eröffnet, das im Rahmen der Psychohistorie im Journal of Psychohistory, in den Veröffentlichungen von Lloyd deMause und in den Tagungsbänden der Deutschen Gesellschaft für Psychohistorie und Politische Psychologie (GPPP) mit einer bemerkenswerten Energie und Geradlinigkeit verfolgt und ausgearbeitet wurde.
Ich will hier jetzt nur noch ein Beispiel für die prä- und perinatalen Motivationshintergründe im politischen Handeln anführen, und zwar das Motiv der Weltherrschaft, das von den sogenannten ‚Großen‘ der patriarchalen Geschichte wie Alexander, Cäsar, Napoleon und schlussendlich Hitler angestrebt wurde, und zwar in einer aus heutiger Sicht merkwürdig erscheinenden Resonanz mit den jeweiligen Gesellschaften. Die Weltherrschaft soll die vorgeburtliche Allmacht in der realen Welt wiederherstellen. Das Kind, das sich vor der Geburt als ‚Herr seiner Welt‘ empfand, will diese Situation in der Weltherrschaft wiederherstellen. Die Ursituation der vorgeburtlichen ‚Allmacht‘ lebt in unseren Träumen weiter und bildet das Motiv, diesen Traum in der Wirklichkeit zu gestalten, um so die innere Kontinuität mit der Anfangssituation des Lebens herzustellen. Der Herrscher führt damit einen Traum aus, den im Hintergrund ihres Erlebens die Mitglieder seiner Gesellschaft teilen. Bei Alexander war dies die Eroberung des damals bekannten Weltkreises, ebenso bei Cäsar, der deshalb völlig sinnfrei auch noch England erobern musste. Bei Napoleon taucht ein ähnliches Motiv auf: weil er England nicht direkt erobern konnte, plante er den Russlandfeldzug, um England über die Eroberung Indiens in die Knie zu zwingen. Dieses Motiv wiederholte sich bei Hitler, dessen Ziel es auch war, über die Eroberung von Russland weiter die im Commonwealth realisierte ‚Weltherrschaft‘ Englands in Verbindung mit Japan zu brechen. All diese Zeile haben einen trancehaften und traumartigen Charakter. Dazu passt die Feststellung Shakespeares (1609), dass sich das Weltgeschehen aus Träumen gestaltet, wie es in den Worten Prosperos im 4. Akt, 1. Szene des Sturms zum Ausdruck kommt: „Wir sind vom gleichen Stoff, aus dem die Träume sind“ (We are of the same stuff as dreams are made). Was hier dichterische Intuition war, kann heute im Rahmen der pränatalen Psychologie in seiner Motivation aus den Urerfahrungen vor und während der Geburt verstanden werden.
Die Unternehmungen Alexanders und Cäsars und sogar Napoleons wurden trotz der auch damals schon gegebenen ungeheuren Kollateralschäden bei der Realisierung pränataler und perinataler Erfahrungen in der realen Welt noch in der Trance in den damaligen Gesellschaften den höher erscheinenden Gewalten gegenüber noch bewundert. Heute aber kann die offensichtliche Absurdität und Grausamkeit der Realisierung vorgeburtlicher und geburtlicher Erfahrungen in der realen Welt als psychologisches Problem durchschaut werden (DeMause 1996, 2005, Janus 2021e). Damit besteht auch die Chance einer inneren Verarbeitung der enormen Komplexität unserer seelischen Verfassung in einem verantworteten Verhältnis zu sich selbst und zur Welt und damit auch die Chance zu einem „Herauswachsen aus dem ‚Schlachthaus‘ der Weltgeschichte“ (Janus 2018c).
10. Abschließende Bemerkungen
Albert Einstein hatte in seinem Brief vom 30. Juli 1932 an Sigmund Freud folgende Frage gestellt: „Gibt es einen Weg, die Menschen vom Verhängnis des Krieges zu befreien? …. Gibt es eine Möglichkeit, die psychische Entwicklung der Menschen so zu leiten, dass sie den Psychosen des Hasses und des Vernichtung gegenüber widerstandsfähiger werden?“ (Freud 1932, S. 130-138). Die Antwort Freuds erfolgte naturgemäß auf dem damaligen Wissensstand der Psychoanalyse und auch noch im Rahmen eines patriarchalen Denkens. Darum kann er lapidar feststellen: „Interessenkonflikte unter Menschen werden also prinzipiell durch die Anwendung von Gewalt entschieden. So ist es im ganzen Tierreich, von dem der Mensch sich nicht ausschließen sollte.“ Man muss die heute befremdliche Selbstverständlichkeit dieser Aussage aus der Situation der damaligen Zeit verstehen, als man überhaupt erst die Psychodynamik des autoritären Charakters und die Psychodynamik des Faschismus zu verstehen begann. Heute steht demgegenüber die Kooperationsfähigkeit als ein wesentliches Element im Vordergrund, das die erstaunliche Entwicklung der Menschheitsgeschichte ermöglichte (Bauer 2008, Hrdy 2010, Bregman 2019, Tomasello 2020, u.a.). Und aus der pränatalen Psychologie können wir hinzufügen, dass diese Kooperationsfähigkeit eine wesentliche Wurzel in der Tatsache hat, dass das wechselseitige Verstehen zwischen Mutter und Kind in der Anfangszeit des Lebens die Basis für diese besondere Kooperationsfähigkeit legt.
Wegen dieser Perspektive auf Konfliktlösung durch Gewalt ist es auch stimmig, wenn Freud weiter formuliert: „Eine sichere Verhütung der Kriege ist nur möglich, wenn sich die Menschen auf die Einsetzung einer Zentralgewalt einigen, welcher der Richterspruch in allen Interessenkonflikten übertragen wird.“ Das ist dann die ‚Lösung‘, wie sie in der zeitbedingten Form der faschistischen und kommunistischen Diktaturen auf nationaler Ebene gefunden wurde und was ja auch heute noch in weiteren Teilen der Welt die gängige ‚Lösung‘ ist. Wie wir heute sagen können, galt das, wenn große Teile der Bevölkerung unter massiven traumatisierenden Kindheitsbedingungen aufgewachsen waren, sodass sie sich mit einer Gewaltherrschaft, die die familiäre Gewalt auf der sozialen Ebene wiederholte, identifizieren konnten (Fuchs 2019). Das war natürlich nicht die Perspektive Freuds, der wohl eher an eine an den Werten der Humanität orientierte Weltregierung dachte.
In einer mit seiner ersten Argumentation unverbundenen Gegenperspektive betont Freud im zweiten Teil seiner Antwort die Bedeutung der Gefühlsbindungen als Mittel gegen den Krieg: „Alles was Gefühlsbindungen unter den Menschen herstellt, muss dem Krieg entgegenwirken.“ Die Bedeutung dieser Perspektive kann heute aufgrund der Bindungsforschung und der pränatalen Psychologie auch konzeptuell vertieft werden. Daraus ergibt sich auch eine Teilantwort auf die Frage von Albert Einstein: „Gibt es eine Möglichkeit, die psychische Entwicklung des Menschen so zu leiten, dass sie den Psychosen des Hasses und der Vernichtung gegenüber widerstandsfähiger werden?“ Die entscheidende Antwort besteht heute entgegen der Skepsis Freuds in einem eindeutigen ‚Ja‘: die Verbesserung der Sozialisationsbedingungen und Verbesserung der Elternkompetenz sind das entscheidende Mittel, eine Konflikt- und Friedensfähigkeit innerhalb der Gesellschaften und der Gesellschaften miteinander zu erreichen. Hierfür kann man die Verbesserung der Eltern-Kind-Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert als ein ‚Life-Experiment‘ in der westlichen Welt sehen. Diese Zusammenhänge sind auch schon weitgehend reflektiert (Grille 2005, Janus 2010, Axness 2012, Reiss et al. 2019). Freuds Formulierungen machen auch noch einmal die Zeitbedingtheit seiner Überlegungen deutlich, wenn er formuliert: „Der Idealzustand wäre natürlich eine Gemeinschaft von Menschen, die ihr Triebleben der Diktatur der Vernunft unterworfen haben.“ Das macht auch anschaulich, in welchem Ausmaß sich hier die Verstehensmöglichkeiten gewandelt haben, wenn wir heute die Basis für friedensfähige menschliche Gesellschaften in emotional balancierten, auf wechselseitigem Verstehen und auf den Menschenrechten beruhenden Beziehungen sehen. Meine Vermutung dazu, wie es zu diesem Wandel kommen konnte, ist die, dass das offensichtliche Desaster der ‚Lösung durch Gewalt‘ im Zweiten Weltkrieg, diese ‚Lösung‘ ad absurdum geführt hat, so dass der Schriftsteller Walter Köppen paradigmatisch formulieren konnte: „Gewalt ist nicht die Lösung“.
Ein weiterer Wissenshorizont, der sich erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts entwickelte, ergibt sich aus der biologischen Verhaltensforschung, die überhaupt erst ein Verständnis auch für die Wirksamkeit von Trieben im menschlichen Verhalten eröffnete (Tinbergen 1966). Mit der Erforschung der instinktiven Nachfolgereaktion im Rahmen der Bindungsforschung wurde hier schon ein Segment erfasst. Ein anderes ist die Erforschung der instinktiven Basis des männlichen Rivalitätsverhaltens aus dem Primatenerbe, wie es gerade im politischen Geschehen im Vorfeld der beiden Weltkriege so dominant war (De Waal 2009). Ergänzend dazu ist es wichtig, auch die weibliche Dimension des sozialen Verhaltens von Müttern mit ihren Kindern und des Verhaltens der Geschwister untereinander aus dem Primatenerbe mehr wahrzunehmen als das bisher geschieht (Thanner 1997, Hrdy 2010).
Ein großes Problem in der psychoanalytischen Theorie war, dass sie verschiedene Verhaltensweisen der Menschen insbesondere im Feld der Sexualität und der Aggression generalisierend aus dem damals neuartigen epochalen Verständnis der Darwin’schen Evolutionstheorie heraus als animalisches Erbe der Triebe verstand und ‚erklärte‘. Damit wurden aber sozialisationsbedingte Hintergründe menschlichen Verhaltens unzulässig ausgeblendet bzw. biologisiert. Das gilt etwa für die prägende Bedeutung von frühesten vorsprachlichen Erfahrungen in der Beziehung zur Mutter, die wegen der besonderen Bedingungen der ‚physiologischen Frühgeburtlichkeit‘ und der damit verbundenen neuronalen Unreife in einer für den Homo sapiens typischen Weise je nach den Bedingungen in der frühen Mutterbeziehung und überhaupt der Verfassung der Mutter massive Verformungen der Affektregulation bewirken können, weil das Kind noch keine weiteren Verarbeitungsmöglichkeiten besitzt. Das ist der Hintergrund für die unter deprivierenden Entwicklungsbedingungen zu beobachtenden deregulierten Gefühle wie etwa suchtartige Nähebedürfnisse, extreme Bedrohungsgefühle, ausufernde Schuldgefühle, basale Ängstlichkeit, ungesteuerte Aggressivität, usw. Diese Deregulation der Gefühle hat dann spätere Fehlentwicklungen zur Folge. Die aus deprivierender früher Mutterbeziehung stammenden unregulierten Gefühle wurden in der frühen Psychoanalyse beobachtet und eben als biologische Triebäußerungen wie Urmasochismus, Ursadismus, Todestrieb u.a. aufgefasst, um die Phänomene wie ungesteuerte Sexualisierung, ungesteuerte Aggressionen und Selbstvernichtungstendenzen konzeptuell einzuordnen, eben noch ohne Verständnis für den Sozialisationshintergrund in deprivierenden vorgeburtlichen, geburtlichen und nachgeburtlichen Erfahrungen. Wie schon gesagt können diese Erfahrungen aus der Anfangszeit des Lebens wegen der neurologischen Unreife nur eins zu eins gespeichert und eben nicht reflexiv eingeordnet und verarbeitet werden. Die biologische Verhaltensforschung ermöglichte hier durch ihre klare Beschreibung und ihr klares Konzept der Instinkte eine Differenzierung, sodass die psychoanalytische Triebtheorie in der geschilderten Weise reflektiert werden kann (Tinbergen 1966). Die biologische Verhaltensforschung ermöglicht es dann, die Ebene der Wirksamkeit männlichen Rivalitätsverhaltens aus dem Primatenerbe im politischen Handeln im Vorfeld des ersten und des zweiten Weltkrieges und natürlich in der Durchführung dieser Kriege zu verstehen. Das ist ein Hintergrund für den Eindruck des „Schlafwandelns“ der Entscheidungsträger, weil ihnen die Irrationalität ihres Verhaltens ein Bezug auf die gesellschaftliche Wirklichkeit aus der instinktiven Evidenz unzugänglich war.
Ein weiteres die Verstehensmöglichkeiten Anfang der Dreißigerjahre begrenzendes Problem war der fehlende Einblick darin, dass das geschilderte instinktive Rivalitätsverhalten in verhängnisvoller Weise mit den durch Traumatisierung deregulierten basalen Affekten legiert sein konnte. Das ist dann wesentlich Hintergrund für schon behandelte genannte ‚Sündenbockreaktion‘, die in einer szenischen Reinszenierung von vorgeburtlichem, geburtlichem und nachgeburtlichem Leid besteht und zu den unglaublichen Tötungen, Folterungen, Misshandlungen in den Konzentrationslagern (Müller 2022) und dem Verhungern-lassen der russischen Kriegsgefangenen u.a. führte. Die Dynamik dieser Reinszenierungen, die im Rahmen der Psychohistorie so extensiv und mit großer Evidenz im Journal of Psychohistory (www.psychohistory.com) und der Tagungsbänden der Deutschen Gesellschaft für Psychohistorie und politische Psychologie (www.psychohistorie.de) beschrieben wurden, entziehen sich bis heute weitgehend einer Reflexion im Rahmen der etablierten Kultur-, Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften, und dies prägt deren intellektuell geprägten Duktus. So kann etwa, um ein prominentes Beispiel zu nennen, Neil MacGregor, der Direktor des Britischen Museums, in seinem Buch Leben mit den Göttern die Erscheinungen des religiösen Lebens in Geschichte und Gegenwart unhintefragt als eine eigene ‚hohe Wirklichkeit‘ in einer Art trancehaften Feingeistigkeit und Gelehrsamkeit über hunderte von Seiten beschreiben, ohne irgendeine psychologische oder psychohistorische Reflexion, so als ob es die Errungenschaften der Aufklärung nie gegeben hätte (MacGregor 2020). Dass es sich bei der von ihm immer wieder thematisierten „spirituellen Kommunikation“ vielleicht um eine Art projizierte vorsprachliche Kommunikation zwischen Kind und Mutter handeln könnte, liegt völlig außerhalb seiner Wahrnehmung.
Letztlich aus dieser Art bürgerlich-intellektueller Kultiviertheit besteht leider immer noch die starke Tendenz, die Schreckenstaten des Krieges nach dem Krieg ‚einfach‘ zu vergessen, wie dies Sebastian Haffner in einem Gespräch einmal als soziale Einigung dem Kriegsgeschehen gegenüber bezeichnete. Die absolute Ungeheuerlichkeit der sogenannten ‚Endlösung‘ durchbrach jedoch diese soziale Verleugnung und erforderte geradezu die ‚deutsche Erinnerungskultur‘. Eine Veränderung in dieser Situation der Verleugnung wäre nur möglich, wenn die „kranke“ Seite der menschlichen Kulturentwicklung bzw. des „Alptraums der Geschichte“ (James Joyce) in den Blick genommen werden könnte, wie es im letzten Jahrhundert für die „kranke“ Seite bei der individuellen Entwicklung möglich war. Es müsste also die deskriptive Seite der Kultur-, Geschichts- und Sozialwissenschaften ganz selbstverständlich mit einer individuellen Selbsterfahrung in eine innere Verbindung gebracht werden. Wie psychotherapeutische Kompetenz ohne Selbsterfahrung undenkbar ist, so müsste auch kulturwissenschaftliche, gesellschaftswissenschaftliche und politische Kompetenz ohne Selbsterfahrung bzw. ohne das Wissen um die eigenen Entwicklungsbedingungen ‚undenkbar‘ sein. Wir können heute sehen, dass die ‚Lösung‘ Freuds, eine Milderung der Kriegstendenzen durch „Stärkung des Intellekts, der das Triebleben zu beherrschen beginnt“ nur ein erster Schritt war. Heute müsste die Stärkung der basalen Beziehungsbedingungen und der dadurch möglichen emotionalen Selbstregulation und Verantwortung in den persönlichen und sozialen Beziehungen ein wichtiger weiterer Schritt sein, der die in der Politik immer noch dominierende Fixierung auf militärische Gewalt relativieren könnte. So müsste die Politik mit Russland ein Verständnis für die ungeheuer traumatisierende Geschichte dieses Landes und seiner Bewohner und deren Folgen mit einbeziehen (Ihanus 2001a, 2001b, 2016, Sadovnikova 2017, Janus 2022b, u.a.). Das spielt in der Berichterstattung über das aktuelle Kriegsgeschehen. In gleicher Weise gilt das für andere Konfliktregionen wie den Nahen Osten, Afghanistan (Janus 2021e) und andere. Hierfür können die Psychohistorie und die pränatale Psychologie eine wertvolle Ressource sein. Das wollte ich mit diesem Text vermitteln.
Doch möchte ich meinen Ausführungen noch einen entscheidenden Gedanken hinzufügen, der deren Relevanz verdeutlichen soll. Das individuelle Leben ist in seiner Entwicklung durch elementare Transformationen von den Anfängen der Konzeption, der Schwangerschaft und der Geburt über die Stufen der Kindheits- und Jugendlichenentwicklung bis zum Leben als Erwachsener geprägt. Die Dramatik dieser Transformationen ist in den modernen Entwicklungswissenschaften im Ansatz heute auch erfasst (Poscheschnik u. Traxl 2016). Sie ist aber im öffentlichen Bewusstsein noch nicht ausreichend präsent, weil wir aus einer geschichtlichen Tradition kommen, die eigentlich das Erwachsenenalter und die Mentalität der jeweiligen Zeit absolut setzte und die Entwicklung dahin nur als nicht so wichtige Vorstufen ansah. Hier ist durch die Psychotherapien des 20. Jahrhunderts ein grundsätzlicher Wandel entstanden, weil die psychologische Bedeutung der früheren ‚Vorstufen‘ für das persönliche Verständnis heute akzeptiert ist. Aber die Dynamik dieser Transformationen in unserer Lebensgestaltung wird m. E. in ihrer wirklichen Bedeutung noch nicht ausreichend wahrgenommen.
Paradigmatisch lässt sich das an der immer noch verbreiteten Ausblendung der Erlebnisbedeutung der Geburt zeigen, wie ich das wegen seiner Bedeutung hier noch einmal wiederholen möchte: die eben wegen der neuronalen Unreife, in der sie erfolgt, beim Homo sapiens zum existenziellen Erlebnis wird, weil die instinktive Rahmung einer Geburt im Zustand neuronaler Reife wie beim kleinen Elefanten fehlt. Darum werden Veränderungen vom Menschen in Resonanz zum transformatorischen Erlebnis der Geburt erlebt und verarbeitet, wie sich das an den Initiationsriten zeigen lässt, die alle Geburtsmustern folgen (Janus 2011a, S. 167 ff.). Die damit verbundenen Dereguliertheit der Basisaffekte insbesondere von Schuld, Scham und Angst werden dann im Lauf der Menschheitsgeschichte zunächst in rituellen Handlungen, dann in komplexen Reinszenierungen und schließlich im Prozess einer Verinnerlichung auch auf der Ebene der Kunst, der Literatur, der Philosophie und den gesellschaftlichen Gestaltungen verarbeitet. Das ist ein Verstehenshintergrund, der durch die pränatale Psychologie und Psychohistorie im Laufe der letzten Jahrzehnte erarbeitet wurde. In Bezug auf das Thema der Psychodynamik des Krieges bedeutet das, dass in diesem Verständnis Revolutionen und Kriege gewaltgeprägte konkretistische Geburtsreinszenierungen sind, um strukturelle Veränderungen in den Gesellschaften und in der Mentalität zu realisieren (Janus 2018d, S. 24 ff.).
Als erster hat, der schon mehrfach erwähnte amerikanische Psychohistoriker Lloyd deMause diese Dynamik beschrieben, beispielhaft in dem Text „Die Ursachen des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust“ (2001) Er schildert darin in extenso die heute gesicherte Einsicht in die Brutalität der deutschen Erziehungsstrukturen und die damit verbundenen familiären und gesellschaftlichen Gewaltstrukturen. Deshalb konnte die durch enorme Kollateralschäden in Form von Traumatisierungen von großen Teilen der Bevölkerung belastete Transformation vom Kaiserreich zur Demokratie von einem großen Teil der Bevölkerung nicht mitvollzogen werden. Stattdessen kam es zu einer Wiederholung der autoritären Struktur des Kaiserreichs in der neuen Form der autoritären Struktur als Führerdiktatur, die ihre Evidenz aus der offenen Inszenierung der eben in einem größeren Bevölkerungsanteil aus der Kindheit gewohnten Gewalt bezog. Was sich in Spanien aus einer ähnlichen Problematik als Bürgerkrieg vollzog, vollzog sich in Deutschland als gewaltgeprägte sogenannte ‚Machtübernahme‘, was sich aber binnen kurzem als die Kaperung eines Staates durch ein Verbrechersyndikat entpuppte. Wegen der Unfähigkeit zu einer Transformation und damit der Realisierung einer demokratischen Mentalität aus der Kraft eines inneren „Stirb-und-Werde“-Prozesses vollzog sich der Wandel im Gewaltprozess der nationalsozialistischen Herrschaft mit einer Kulmination im Krieg und im Holocaust.
Die diesem Gewaltprozess zu Grunde liegende Dramaturgie einer destruktiven Geburt wird von deMause im zweiten Teil des genannten Textes mit großer Luzidität in vier Phasen beschrieben: eine innovative Phase der Weimarer Republik und des einen großen Teil der Bevölkerung überfordernden ‚Sprungs in die Moderne‘ mit einer Orientierung an persönlicher Verantwortung und Freiheit; die Überforderung führt zur zweiten ‚depressiven Phase‘, wo aus der Überforderung heraus die Suche nach dem fötalen Helden gesucht wird, der die Befreiung aus der Not als geburtssymbolische Heldenfahrt (Janus 2011, S. 178 ff.) realisieren kann; in tragischer Weise wird aus der patriarchal verformten Mentalität der autoritären Führer nach dem familiären Vorbild als dieser Held genommen; dem folgt dann die ‚manische Phase‘ eines Krieges als Wiederholung eines Überlebenskampfes der Geburt, mit Vergewaltigungen und Tötung der „abgespaltenen bösen Jungs-Selbstanteilen“, der in der „Endlösung“ kulminiert. Es handelt sich um die Inszenierung von Elementen einer destruktiven Geburt die mit dem Tod des Protagonisten als Suizid endet und der Hinrichtung einiger seiner Helfer. Die Planung einer destruktiven Weltherrschaft, die nur über Vernichtung und Entrechtung abgespaltener traumatischer Selbstanteile aufrecht zu halten ist, spricht aufgrund pränatalpsychologischer Erfahrungen auch für eine vorgeburtliche Traumatisierung, die als Selbstvernichtung inszeniert wird. Aber man kann das ganze Geschehen auch als kollektive Inszenierung mit Beteiligung der westlichen Welt verstehen, an der alle beteiligt waren, wobei die Entscheidungsträger alle noch einer Orientierung an einer ‚Lösung durch Gewalt‘ folgten. Von daher der Eindruck des „Schlafwandelns“ wie beim Ersten Weltkrieg. Trotz der ungeheuren Kollateralschäden durch diese Dysfunktionalität gibt es eben auch einen transformatorischen Effekt, dass zumindest in Westdeutschland die freiheitlich-demokratische Mentalität mehrheitsfähig wurde und Europa zur EU werden konnte und zum Paradigma eines Umgangs mit Konflikten im Rahmen von wechselseitigem Verstehen und Verhandeln.
11. Nachbemerkung
Wir leben mentalitätsgeschichtlich immer noch im Nachhall patriarchaler Traditionen, weshalb die Erlebnisbedeutung der primärmütterlichen Beziehung und ihre individualpsychologische und kollektivpsychologische Bedeutung immer noch weitgehend marginalisiert und darum im öffentlichen Bewusstsein kaum präsent sind (Fodor 1949, Matejcek 1987, Häsing u. Janus 1994, Kafkalides 1995, Levend, Janus 2011b, u.a.). Das gilt auch weitgehend für die in vielerlei Hinsicht so bedeutsame feministische Bewegung. Die im Vordergrund stehenden Geltungsfragen sind sicher ein wichtiger erster Schritt. 30 Professuren für Genderfragen sollen es sein. Die Scheu vor einer Thematisierung des Themas der mütterlichen Dimension in unserem Leben und einer öffentlichen Verantwortung in diesem Bereich hat dazu geführt, dass Schwangerschaft und Geburt in den letzten 100 Jahren gewissermaßen ‚enteignet‘ wurden und ganz in den Bereich einer männlich orientierten Medizin integriert wurden. 98 % der Geburten finden in Kliniken statt, bei ca. 80 % spielen mehr oder weniger ausgeprägte geburtshilfliche Interventionen eine wichtige Rolle, bis dahin, dass ein renommierter österreichischer Geburtshelfer öffentlich unwidersprochen verlauten lassen konnte, dass die vaginale Geburt ein ‚Auslaufmodell‘ sei. Die interventionsreichen Geburten sind nicht nur für das Kind in 50-80 % der Fälle traumatisch belastet, sondern in erheblichem Umfang auch für die Mutter, was kaum thematisiert wird. Unter diesen Rahmenbedingungen sind Geburten für die Frauen häufig seelisch überfordernde Grenzerfahrungen, die nach deshalb aller Möglichkeit ‚verdrängt‘ werden. Ich sehe in dieser Situation einen wesentlichen Hintergrund dafür, dass die Frauen nach meinem Eindruck die beschriebene Marginalisierung des Themas geschehen lassen, auch wenn es seit einiger Zeit vielfältige Einzelinitiativen zu einer Veränderung dieser Situation gibt, die aber bisher noch kaum eine öffentliche Wirksamkeit entfaltet haben: es gibt keinen Lehrstuhl für die Psychologie von Schwangerschaft und Geburt; die psychologischen Aspekte sind weder in der frauenärztlichen und geburtshilflichen Ausbildung noch in der Hebammenausbildung relevant vertreten; im akademischen Bereich der Kultur-, Geschichts- und Sozialwissenschaften ist die Ausblendung komplett; selbst im psychotherapeutischen Bereich, wo die Verantwortung eigentlich unmittelbar gegeben ist, spielen pränatale Psychologie und Psychohistorie entweder keine oder eine ganz marginale Rolle, wie man das in den Lehrbüchern zum Beispiel daran erkennen kann, dass Geburt und Schwangerschaft nicht repräsentativ unter den Stichwörtern auftauchen. Die fatale Folge ist ein Kompetenzmangel, der kaum zu verantworten ist. Darum meine Bemühung, die Relevanz des Themas für das Verständnis des gesamtgesellschaftlichen Verstehens am Beispiel des Krieges zu erläutern. Letztlich würde es darum gehen, das existenzielle Wissen eines Kreissaals mit dem emotionalen Wissen einer pränatalpsychologischen Selbsterfahrungsgruppe, dem Wissen aus der Beobachtung der vorgeburtlichen Beziehung im Rahmen der sogenannten „Bindungsanalyse“ (www.bindungsanalyse.de, www.bindungsanalyse.at) und dem in einem Hörsaal vermittelten akademischen Wissen in eine innere Resonanz zu bringen.
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Autor:in: Ludwig Janus, Dr. med., ist Facharzt für Psychotherapie in eigener Praxis in Dossenheim bei Heidelberg; Psychohistoriker, Pränatalpsychologe und Ausbilder in der Förderung der vorgeburtlichen Mutter-Kind-Beziehung. Leiter des Instituts für Pränatale Psychologie und Medizin.