Die Krise im Iran. Zur gesellschaftlichen Position des Psychoanalytikers
Hossein Modjtahedi
Y – Z Atop Denk 2025, 5(5), 1.
Abstract: Zuerst wird eine sehr kurze Geschichte der Psychoanalyse im Iran sowie die Aktivitäten von zwei derzeit dort aktiven Instituten skizziert und in einigen Punkten erläutert. Darüber hinaus wird auf den Stand der Veröffentlichung psychoanalytischer Bücher im Iran eingegangen. Anschließend folgt eine Darstellung des Politischen im Iran, der aktuellen Krise und einiger psychoanalytischer Fragestellungen im Zusammenhang mit dieser Situation. Abschließend werden einige Bemerkungen zum Mythos und zum Eigennamen Siavoushan in Bezug auf dieses Thema gemacht.
Keywords: Psychoanalyse, Iran, Mythos, Politik, Sivoushan
Copyright: Hossein Modjtahedi | Lizenz: CC BY-NC-ND 4.0
Veröffentlicht: 30.05.2025
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1. Kurze Vorgeschichte
Wenn man die Geschichte der Psychoanalyse im Iran erzählen will, sollten die ersten Pioniere in diesem Gebiet genannt werden. Ahmad Ordubadi studierte Psychiatrie im Iran und ging dann nach England. Dort wurde er von Emma Rosenfeld analysiert und lernte Melanie Klein und John Bowlby kennen. Er stand auch in Beziehung zu Carl Gustav Jung und hat ihn in seinem Haus besucht. Vor fünfzig Jahren hat Ordubadi ein Buch von Hanna Segal über die Theorien von Melanie Klein aus dem Englischen ins Persische übersetzt (Alinaghi 2018).
Der zweite Name ist Mahmoud Sanaee. Er hat Psychologie in England studiert, promoviert und mit Anna Freud an ihrem Institut gearbeitet. Auch hat er über die westliche Philosophie geforscht, wertvolle Bücher darüber geschrieben und einige Bücher über Philosophie und Psychologie übersetzt. Eine Weile war er Professor an der Universität Teheran im Fachbereich Psychologie. Sanaee hat zum ersten Mal über iranische Mythologie aus der Sicht der Psychoanalyse gesprochen (Gheissarani 2013).
Heutzutage gibt es eine geringe Anzahl an psychoanalytischen Instituten im Iran. Psychoanalyse ist jedoch sehr beliebt und bekannt und die analytische Psychotherapie ist sehr populär in der Gesellschaft, insbesondere bei der neuen Generation an den Universitäten. Mehrere Bücher in diesem Feld werden jedes Jahr zum größten Teil aus dem Englischen ins Persische übersetzt. Zum Beispiel wurde das Buch „Die Traumdeutung“ zum ersten Mal vor sechzig Jahren ins Persische übersetzt. Seitdem wurde es von vier Übersetzern übersetzt und erschien mehrere Male. Die meisten der interdisziplinären und gesellschaftlichen Werke von Freud wurden übersetzt. Einige seiner Bücher und Schriften, wie Das Unbehagen in der Kultur, Jenseits des Lustprinzips, einige Vorlesungen und Behandlungsschriften durch Mohammad Mobascheri, Das Unbewusste durch Ali Fooladin, Arian Moradzadeh und mich, Konstruktionen in der Analyse durch Ali Fooladin und mich, Die endliche und unendliche Analyse durch mich, wurden aus dem Deutschen direkt ins Persische übersetzt und einige dieser Werke werden jedes Jahr nachgedruckt (Fa.Wikipedia 2021).
Von Lacanianern gibt es mehrere Übersetzungen, besonders von Joel Dor, Slavoj Zizek, Yannis Stavrakakis, Bruce Fink usw. Aber von Lacan selbst wurden bisher erst wenige Bücher übersetzt, wie Television (aus dem Französischen), Angst (aus dem Englischen), Kant mit Sade (aus dem Deutschen).
Es gibt eine Zensurorganisation im Kulturministerium, von der alle Bücher vor der Publikation von damit durch die Regierung vertrauten Personen, die beruflich im Ministerium tätig sind und dort eine Stelle haben, gelesen werden müssen, damit sie eine Zulassung für das Erscheinen erhalten können.
Bei Zeitungen und Zeitschriften ist dieses Verfahren unterschiedlich und zum Teil auch komplizierter. Die Zeitungen und Journale müssen nach der Publikation von der Kontroll-Behörde gelesen und kontrolliert werden. Wenn ein Artikel, eine Nachricht oder eine Aussage im Widerspruch zu religiösen Ideen steht oder die roten Linien der Regierung überschreitet, zum Beispiel direkt oder indirekt die Führung kritisiert, könnte diese verboten werden, der Autor und der Herausgeber könnten verhaftet werden und sie müssten vor Gericht treten. Die Veröffentlichung eines Zeitschriftenartikels wird deshalb schwieriger, weil der Autor sich selbst zensieren muss, bevor ein anderer es tut.
Zum Beispiel hat die kulturelle Zeitschrift Siavoushan einen Artikel über die Buchkritik eines Romans aus der Sicht der Psychoanalyse veröffentlicht. Der Roman heißt Der Zaun der Hunde meines Vaters von Schirzad Hasan und behandelt eine romantische und sexuelle Beziehung zwischen einem Jungen und seiner Stiefmutter. Die Zeitschrift wurde verboten, weil der Richter meinte, dieser Artikel habe die gesellschaftliche Keuschheit verletzt. Nach einem dreijährigen Gerichtsverfahren vor dem Pressegericht konnte der Vorwurf nicht bewiesen werden und ich als der verantwortliche Redakteur der Zeitschrift wurde freigesprochen. Dennoch wurde die Lizenz der Zeitschrift widerrufen, da sie drei Jahre lang nicht erschienen war. Eine neue Lizenz wurde unter dem Namen Diskurs von Siâvoshân als Vierteljahresschrift erteilt, die bis heute publiziert wird. Der thematische Schwerpunkt der Artikel liegt auf freudianisch-lacanianischer Psychoanalyse, Kulturwissenschaft sowie interdisziplinären Fragestellungen an der Schnittstelle von Psychoanalyse, Philosophie, Sozialwissenschaften, Kunst und Literatur. Sie gilt als die erste psychoanalytische Zeitschrift in der Geschichte Irans.
Man kann nicht sehr genau einschätzen, was zensiert werden muss. Zum Beispiel wurde die Übersetzung des Buches Das Unbehagen der Kultur mehrere Male nachgedruckt, aber die Übersetzung der Vorlesung 35 von Freud (Zur Weltanschauung) erhielt keine Zulassung für die Publikation.
2. Über das Siavoushan-Institut
Von den iranischen Instituten ist das Siavoushan-Institut Pionier der Freud-Lacan-Psychoanalyse. Seit zwölf Jahren ist es aktiv in diesem Bereich.
Dieses Institut wurde von mir und Mohsen Hajaliakbar, Heidar Hosseini, Herayr Danelian, Mahdi Mirmohammadsadeghi und seiner psychoanalytischen Abteilung gegründet.
Die Abteilung der Psychoanalyse dieses Instituts nimmt regelmäßig einige Ausbildungskandidaten auf. Diese müssen zuerst analysiert werden. Zumindest müssen sie zwei bis drei analytische Sitzungen in jeder Woche haben. Wenn sie in ihrer Analyse in sich die Kapazität finden, als Analytiker jemanden anzuhören, müssen sie zwei Patienten unter der Bedingung der Kontrollanalyse annehmen. Während dieser Zeit sollen sie an den Seminaren und in den Vorlesungen aktiv teilnehmen. Heute nehmen rund einhundert Personen an den verschiedenen Seminaren und an den Vorlesungen teil. Mehr als 50 Therapeuten arbeiten mit diesem Institut zusammen.
Auf Einladung dieses Instituts ist Peter Widmer drei Mal in den Iran gereist und eine Reihe von Seminaren über Grundbegriffe der Freud-Lacanschen Psychoanalyse, Klinischen Psychoanalyse, Übertragung und Widerstand, Perversion, Fallbesprechung usw. wurde veranstaltet. Seine Seminare sind auch im Journal Siavoushan-Diskurs erschienen.
Seine Anwesenheit und Aktivitäten im Siavoushan-Institut hatten einen sehr effektiven und produktiven Einfluss auf die Freud-Lacan’sche Psychoanalyse im Iran.
Einige Analytiker:innen, die in Deutschland, Frankreich und England ihre psychoanalytische Ausbildung absolviert haben und im Iran und Europa tätig sind, arbeiten mit diesem Institut zusammen. Sie sind Mitglied des Psychoanalytischen Kollegs, von Espace Analytique, L’Association Psychanalyse et Médecine (APM), L’Association Lacanienne Internationale (ALI). An den regelmäßigen Seminaren dieses Instituts haben einige Psychoanalytiker:innen wie Ali Fooladin, Mai Wegener, Christian Kläui, Susanne Gottlob, Houchang Guilyardi, Andre Michels, Johanna Vennemann, Claude Noel Pickmann, Gerard Pommier, Alan Vanier, Jeane Lafont und Genevieve Vialet Bine teilgenommen. Sie haben beeindruckende Vorträge gehalten zu wichtigen Themen wie Psychose, Perversion, Hysterie, Zwang aus klinischer und theoretischer Sicht. Jenseits des Lustprinzips und Todestrieb, Ethik der Psychoanalyse, Sinthome, Jouissance, Deutung, Übertragung, das Reale und Wiederholung, Phantasma und anderes mehr wurde von ihnen präsentiert und erklärt. Auch gab es mehrere Diskussionen mit den Teilnehmern.
An dem genannten Institut finden wöchentlich Freud-Lacan-Lektüresitzungen und Supervisionen statt. Diese werden in getrennten Online-Gruppen von mir sowie von Soheila Kiani-Dorf geleitet. Sie ist Psychoanalytikerin, Mitglied des Psychoanalytischen Kollegs und Leiterin der Abteilung für Lacan'sche Psychoanalyse am Institut Siavoushan. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. In ihrer Gruppe arbeitet sie regelmäßig mit zwei Facharbeitskreisen, mit denen sie Seminare und Schriften Jacques Lacans sowie aktuelle Beiträge zur Lacan'schen Theorie liest und diskutiert.
Ich selbst leite die Freud-Lektüregruppen, in denen ich mit den Kandidat:innen systematisch die theoretischen, psychopathologischen sowie klinischen Schriften Freuds lese und diskutiere (Siavoushan 2024).
Seit über einem Jahr pflegt die Abteilung für freud-lacanianische Psychoanalyse des Instituts eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Vereinigung Espace Analytique. Die Gruppe ist offiziell als „Iran-Gruppe“ auf der Website der Vereinigung aufgeführt.
Farideh Easavand, die ihre psychoanalytische Ausbildung im Freud-Forschungszentrum in London absolviert hat, war die weitere Kollegin, die Analytikerin und Supervisorin in diesem Institut war. Auch sie hat bereits einige Seminare im Zusammenhang mit den Lacan'schen Grundbegriffen veranstaltet. Iraj Ismaeelpour Ghouchani, der seine Doktorarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Zusammenhang mit der Traumdeutung im iranischen Kurdistan geschrieben hat und in Stuttgart lebt und arbeitet, ist ein anderer Kollege, der im Gebiet der Anthropologie aus der Sicht der Psychoanalyse forscht und schreibt und zu diesem Thema am Institut unterrichtet.
Die Texte von Freud, besonders seine Grundbegriffe, Falldarstellungen, Vorlesungen, Behandlungsschriften und die Traumdeutung, das Unbewusste, werden in den regelmäßigen Sitzungen gelesen und diskutiert.
Herr Ali Hadavand ist der Ausbildungsleiter von Siavoushan und Doktorand im Fachbereich Kulturwissenschaften. In Zusammenarbeit mit Fachleuten hat er zahlreiche Seminare in den Bereichen Psychoanalyse und Kultur veranstaltet – unter anderem zu Themen wie Linguistik aus der Perspektive von Jakobson, Saussure und Roland Barthes, Philosophie und Antiphilosophie, Psychoanalyse und Mathematik, sowie Psychoanalyse in Verbindung mit Kunst und Literatur.
3. Andere Institute
Ich muss noch erwähnen, dass es einige aktive Institute gibt, deren Richtung in der Psychoanalyse amerikanisch ist. Ihre Struktur ist nach den Richtlinien der IPV gebildet worden. Ihre Schwerpunkte sind Objektbeziehung und relationale Psychoanalyse. Eines davon, TCPS (dessen Manager Babak Roschanaee Moghaddam Psychoanalytiker, Psychiater und Mitglied von IPA ist), welches eine offene Atmosphäre für andere Theorien in der Psychoanalyse pflegt, hat einige Kooperationen mit dem Siavoushan-Institut durchgeführt (TCPS 2024). Zum Beispiel wurden die Symposien 100 Jahre Jenseits des Lustprinzips und Ethik der Psychoanalyse durch diese Zusammenarbeit im Iran veranstaltet. Peter Widmer, Mai Wegener, Claude Noel Pickmann und Andre Michels haben interessante Vorträge in diesen Symposien gehalten, die in einem Buch erscheinen werden.
4. Das Politische im Iran
Die politischen Zustände haben Einfluss auf die kulturellen Aktivitäten. Nach der Marginalisierung der Reformisten und der oppositionellen demokratischen Gruppen wie den Anhängern von Mosaddegh kamen die Hardliner durch Wahlfälschungen und Unterstützung der paramilitärischen Gruppen an die Macht.
Wie zu erwarten war, ging Ebrahim Raisi aus den Präsidentschaftswahlen vor vier Jahren als Sieger hervor – ein Ergebnis, das die politischen Machtverhältnisse im Iran weiter konsolidierte. Der Präsident, der den Strukturen der militärischen und ideologischen Macht am nächsten stand, doch unter dessen Amtszeit eine der wichtigsten sozialen Bewegungen in der Geschichte Irans und der Welt ausbrach – die Frauen, Leben, Freiheit-Bewegung, die auch als Mahsa-Bewegung bekannt wurde – und trotz der brutalen Repressionen die Regierung gezwungen war, zurückzutreten, starb dieser Präsident nach zwei Jahren auf mysteriöse Weise bei einem Hubschrauberabsturz.
Zahlreiche Gruppen und Personen im In- und Ausland hatten zum Wahlboykott aufgerufen. Das Ergebnis war, dass die Wahlbeteiligung im Vergleich zu den vorigen Wahlen nach der Revolution sehr niedrig war. Sie lag bei 48,8 %. Einige informierte Stellen im Innenministerium glauben, man könne diesen Prozentzahlen trotz des niedrigen Wertes nicht vertrauen und die richtige Prozentzahl sei noch niedriger. In der Hauptstadt Teheran haben nach Angaben des ehemaligen Innenminister lediglich 26 % der Wahlberechtigten an der Wahl teilgenommen. Von je vier Personen boykottierten damit drei Personen die Wahl. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen vor sechs Jahren haben über 70 Prozent der Bevölkerung an der Wahl teilgenommen. Zu den Wahlverweigernden kamen noch jene Wählerinnen und Wähler, deren Stimmzettel ungültig waren. Die Zahl der ungültigen Stimmen war höher als die Zahl der gültigen Stimmen. Einige Leute wie Beamte hatten aus Angst vor den Folgen eines Wahlboykotts ungültige Stimmen abgegeben, da im Iran die Wahlbeteiligung mit einem Stempel in der Schenasname (das iranische Ausweisdokument) gekennzeichnet wird. Für die fundamentalen Machthaber war dieses Ergebnis eine Schande.
Bereits vor sechs Jahren hatte der ehemalige Präsident die politischen Meinungen von Raisi bei seinem Wahlkampf sehr stark kritisiert und gesagt, dass er in seinem ganzen Leben nichts anderes getan habe, als Gefängnisstrafen und Todesurteile zu verordnen.
Der Wächterrat hat aus 592 Bewerbern lediglich sieben als geeignet für die Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen zugelassen.1
Bezüglich der wirtschaftlichen Situation meinen einige Soziologen, dass die richtige Statistik zeige, dass die Zahl der Personen, die unter der Armutsgrenze leben, innerhalb der letzten drei Jahre gestiegen sei. Demnach leben 25 Millionen Bewohner:innen des Irans unterhalb der Armutsgrenze. Die iranische Wirtschaft wurde in den letzten Jahren mit chronischer Arbeitslosigkeit, Inflation, Stagnation und nicht zuletzt Korruption konfrontiert.
Die politischen, sozialen und kulturellen Einschränkungen haben sich seit fünf Jahren verstärkt. Die Sackgasse der Atomverhandlungen und die Sanktionen, die Bedrohungen durch einige Staaten von einer Seite und Zensur sowie politische Unterdrückung von der anderen Seite beherrschen die iranische Gesellschaft. Trotzdem haben die Intellektuellen, Menschenrechtsaktivisten und unabhängigen Politiker nicht geschwiegen und die soziale Situation ist nicht so, dass die Regierung alle Stimmen zum Verstummen bringen kann. Obwohl mehrere Frauen, Studenten, Schriftsteller und Menschenrechtsaktivisten, Künstler, Fußballer sowie Protestierende inhaftiert und einige von ihnen auf der Straße getötet wurden, setzen die Iranerinnen und Iraner ihre Proteste fort und leisten einen starken Widerstand (Heinrich- Böll- Stiftung 2021).
Die Militarisierung der Sprache ist in einigen Mottos hörbar. Zum Beispiel: „Ich töte den, der meinen Bruder getötet hat“. Oder: „Tod den von der Menschenmenge Beschuldigten“. Man fragt sich, ob ein brennendes Feuer der Aggression sich unter der Asche der Stimmen versteckt. Was passiert, wenn diese Aggression explodiert? Können Gefahren wie Bürgerkrieg und Separation die Iraner:innen bedrohen? Diese Fragen zu beantworten ist nicht einfach, aber es gibt auch einige hoffnungsvolle Zeichen, zum Beispiel die Lebensmotive in einigen Mottos, wie „Frau, Leben, Freiheit“. Diese Wörter, diese Buchstaben, diese Stimmen können nicht tyrannisch unterdrückt oder verdrängt werden. Sie reflektieren eine Wahrheit, die Zensur bewältigt und sich ausgedrückt hat. Die iranischen Frauen und Männer, Jugendliche und Studierende kämpfen sehr mutig wegen des Lebens, nicht wegen des heiligen Märtyrertums. Ihr Begehren ist es, frei zu leben.
Wie Freud (1917) schreibt: „Trauer ist regelmäßig die Reaktion auf den Verlust einer geliebten Person oder einer an ihre Stelle gerückten Abstraktion wie Vaterland, Freiheit, ein Ideal usw.“. Vor der Revolution im Iran im Jahr 1979 waren die Freiheit und Demokratie die Ideale mehrerer oppositioneller Gruppen gegen den Despotismus des Schah. Aber sie haben diese Ideale verloren. Der Eigenname Iran ist ein altes persisches Wort, das „freie“ und „ehrliche Leute“ bedeutet. Das Wort Freiheit ist auf Persisch Azadi, was Ehre und Geburt bedeutet (auf Englisch stammt das Wort freedom von freo, welches Liebe bedeutet (OED 2025)). Hier ist eine Brücke zwischen den Wörtern Freiheit, Frau und Leben sichtbar. Ebenso kann man zwei Buchstaben des Wortes Frau (Zan auf Persisch) im Wort Leben (Zendegi auf Persisch) hören. Das Wort Zan stammt von einem altpersischen Wort, das „beleben und gebären“ bedeutet (Asgari 2013).
Die Bewegungen und die Aktivisten wurden kurze Zeit nach der Revolution unterdrückt. Eine Tyrannei wurde reproduziert und kam an die Macht. Der Vatermord passierte, aber kein väterliches Gesetz wurde ersetzt. Keine Trauerarbeit konnte seitens der iranischen Nation erlebt werden. Seit einigen Jahren hat die Gesellschaft sich hysterisiert, um eine neue Historie zu konstruieren und die traumatische Geschichte zu historisieren. Man kann gleichzeitig die Hoffnung und Wut in der Gesellschaft fühlen. Das Verdrängte kommt zurück. Man fragt sich, ob dieses Mal der symbolische Vater seine Stelle finden kann.
Die Frauen sind im Iran heutzutage sehr aktiv und produktiv in der iranischen Gesellschaft. Mehr als sechzig Prozent der Studierenden an den Universitäten im Iran sind Frauen. Sie spielen eine entscheidende Rolle in der iranischen Gesellschaft in verschiedenen beruflichen Positionen, auch wenn sie nicht in den höchsten politischen und judikativen Positionen eingesetzt werden.
5. Eine kurze Erwähnung über den Schleier (Hedjab) aus der Sicht der Psychoanalyse
Eine junge Frau wurde im Herbst 2006 in Australien von einer Gruppe Männer vergewaltigt. Scheikh Helali, einer der hochrangigen Islamisten in Australien, hat dieses Beispiel dargelegt. Er sagte, wenn ein Fleischstück unbedeckt sei, haben die Katzen keine Schuld, wenn sie es auffressen wollen (ISNA 2006). In diesem unkultivierten und wilden Vergleich wird eine Frau wie ein Fleischstück, wie der Körper eines Toten, wie eine Leiche vorgestellt. Eine Leiche könnte Befriedigungsobjekt für jemanden mit nekrophiler Neigung sein. Es gibt hier eine Phantasie eines sexuellen Objekts, das keine unabhängige Individualität, kein Begehren und kein Leben hat. Indem sich eine Frau selbst bedeckt, reizt und provoziert sie den sexuellen Wunsch der Männer nicht. Aus dieser Sicht sind die Männer nicht kastriert.
Das Wort Hedjab bedeutet: bedecken, Hindernis. Dieses Wort steht im Koran im Sinne von „Vorhang“ (Almaany 2025). Auch die persischen Dichter und Sufis haben dieses Wort in dieser Bedeutung benutzt. Sie meinten, dass der Körper ein Hedjab zwischen dem Menschen und Gott ist. Nur durch den Tod des Körpers könne man sich mit Gott konfrontieren. Man kann sich fragen, ob eine Brücke zwischen beiden Worten gesehen werden könnte. Ich denke, dass Hedjab in beiden Kontexten einen Weg zum Todestrieb öffnet. Auf der anderen Seite ist dies das narzisstische Ideal des perversen Herren. Die Frauen als Objekte, als Löcher werden gezwungen, sich mit dem Schleier zu bedecken. Aus dieser Sicht könnte der Schleier als Fetisch interpretiert werden (Endres 2015; Nasio 2017).
6. Einige psychoanalytische Fragen und Überlegungen in der politischen Krise des Irans seitens der Psychoanalytiker und Therapeuten
Die meisten Kollegen fragen mich, wie sie sich in den analytischen Sitzungen verhalten sollen und was sie tun sollten. Kann man in diesem politischen Zustand im Iran bei der Therapie und Analyse neutral bleiben und den Patienten helfen, über ihre individuellen Probleme und ihre Wurzeln zu sprechen, wenn die Leute auf offener Straße erschossen werden? Die Patienten bringen mehrere Fragen und Gedanken in die Sitzung in einen Zusammenhang mit den Protesten. Sie fragen, wie unsere Haltung ist, wie sie gegenüber der Unterdrückung durch das Regime reagieren müssen. Einige tadeln sich sehr stark, machen sich Vorwürfe und lesen sich die Leviten, dass sie Feiglinge sind und Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen haben, weil sie keinen Mut finden, auf die Straße zu gehen und zu protestieren. Deswegen hassen sie sich selbst. Wie muss ein Analytiker gegenüber solchen Aussagen reagieren oder sich verhalten? Ich weiß, dass es hier kein spezifisches Muster gibt. Man muss mehrere Faktoren beachten, wie die psychische Struktur der Patienten, ihre Wörter und Geschichte sowie die Atmosphäre der Sitzung. Aber vielleicht kann man einige allgemeine Bemerkungen in Betracht ziehen.
Im Zusammenhang mit diesen Fragen glaubt Peter Widmer (2025):
„Einerseits gibt es Setting der Psychoanalyse und Grenzen der psychoanalytischen Praxis, obwohl es um die Destruktivität zum Dispositiv und um das Engagement des Analytikers geht. Wenn in dieser Situation politisches Handeln den Vorrang hat, muss der Psychoanalytiker vorher oder nachher kommen? Vorher: wenn man eigene Vorstellungen, Affekte und Ideen hat und auf ihre Wurzeln befragt und untersucht, um ihre pathologischen Dimensionen (zum Beispiel wegen dem heiligen Märtyrertum) zu finden und zu analysieren. Nachher: wenn man die traumatischen Erlebnisse verarbeiten und daran denken will, was sie oder er getan oder nicht getan hat und warum. Bei allen Situationen ist es sehr wichtig, dass man nicht vergessen darf: der Analytiker bzw. Therapeut ist nicht derjenige, der weiß, was sein Patient tun sollte, sondern er hört ihm zu, was er aussagen will.“.
Es ist nach seiner Meinung in diesem Sinne ähnlich wie z. B. bei Trans-Menschen. Der Therapeut weiß nicht, ob der Patient sich operieren lassen sollte oder nicht. Aber er kann durch Zuhören, Befragungen oder durch überraschende Interventionen einen Weg öffnen, wodurch der Patient entscheidet, ob diese Operation für ihn psychisch erträglich ist. Im psychoanalytischen Prozess kann der Analytiker seine vorherigen Ideen oder Überzeugungen ändern. Natürlich nicht im Sinne einer reduzierten Anpassung. Man kann den Freud'schen Texten entnehmen, dass der Analytiker immer bereit sein sollte, von den neuen psychischen Materiellen der Patienten überrascht zu werden.
Wie Freud betont: „Und endlich ist nicht zu vergessen, dass die analytische Beziehung auf Wahrheitsliebe, d. h. auf die Anerkennung der Realität gegründet ist und jeden Schein und Trug ausschließt.“ (1937). Er schreibt auch :„Es ist gefährlich, dieses Fundament zu verlassen. Wer sich in die analytische Technik eingelebt hat, trifft das dem Arzte sonst unentbehrliche Lügen und Vorspiegeln überhaupt nicht mehr und pflegt sich zu verraten, wenn er es in bester Absicht einmal versucht. “ (1915).
Da diese Situation besser verstanden wird, kann man die Geschichte der Psychoanalyse in Argentinien berücksichtigen und in Betracht ziehen.
Im Jahr 1976 erfolgte ein militärischer Putsch in Argentinien, welcher als schmutziger Krieg bezeichnet wurde. Mehr als 30.000 Bürger dieses Staats wurden getötet. Einige von ihnen waren Kinder und Schwangere. Die militärische Regierung hatte angekündigt, dass Freud und Marx ideologische Kriminelle sind und ihre Bücher wurden ebenso wie die Bücher bekannter Psychologen wie Piaget verboten. Alle Psychologen, Psychoanalytiker, Psychiater und Sozialarbeiter wurden aus den Krankenhäusern und Universitäten entlassen. In dieser Zeit haben einige Psychoanalytiker entschieden, dass sie in ihrem Beruf direkt mit der Politik konfrontiert sind, die Machthaber und die politische Unterdrückung kritisieren sowie mit ihren Patienten darüber sprechen sollten, obwohl diese Orientierung einige Gefahren für sie mitbringen konnte, wie auch den Zweifel an der Neutralität der analytischen Sitzungen. Marie Mimí Lisbeth Langer war eine argentinische Psychoanalytikerin, die in diesem Bereich sehr aktiv war. Marie Langer war maßgeblich an der Gründung der Assoziation der Psychoanalyse in Argentinien beteiligt. Im Jahr 1971 verursachte ihr Vortrag „Psychoanalyse und/oder soziale Revolution“ einen Skandal beim IPA-Kongress in Wien. Ihr Referat wurde nicht wie üblich im International Journal der IPA gedruckt. Sie hat eine psychoanalytische Vereinigung gegründet, die sich für eine soziale und politisch aktive Psychoanalyse einsetzte. Ihr Name tauchte auf Todeslisten der Alianza Anticomunista Argentina auf, weswegen sie Argentinien verließ. Sie setzte aber ihre Aktivitäten fort (Plotkin 2001; Vezzetti 1996).
Einige Dimensionen der erwähnten Aussagen ähneln den momentanen Zuständen der Psychoanalyse im Iran. Die Psychoanalytiker, Therapeuten, Psychologen, Psychiater und Sozialarbeiter sollten nach Möglichkeit im heutigen sozialen Zustand des Irans Wege finden, um Einfluss auf die Gesellschaft in dieser Krise zu nehmen und in diese Richtung zu streben. Einige Gruppen von ihnen haben solche Aktivitäten begonnen. Sie haben offene Briefe geschrieben und die politischen Zustände analysiert und kritisiert. Sie haben die Machthaber gewarnt, welche destruktiven psychosozialen Konsequenzen ihre Unterdrückung mitbringen könnte (Nimroozmag 2022). Ebenso haben sie mit den Schulen Kontakt aufgenommen, um den Lehrern, den Eltern, den Schülern und den Schülerinnen sowie den Betroffenen der Demonstrationen professionell zu helfen. Auch haben sie über diesen Zustand aus der psychoanalytischen Sicht mehrere Texte geschrieben und im Internet veröffentlicht. Diese Aktivität könnte hinsichtlich der Aussagen der Regierung sehr einflussreich sein, die versucht, die psychoanalytischen Begriffe mit den banalen und reduzierten Interpretationen auszunutzen. Die Regierung hat keine Ahnung von Psychoanalyse und Psychologie, aber verwendet ihre Begriffe. Zum Beispiel sagte einer der Regierenden, dass diese jungen Leute antisozial seien und den Ödipuskomplex hätten. Sie müssten verhaftet und zur Therapie geschickt werden.
Klinische Psychoanalyse ist einerseits gegen die Unterdrückung und Verdrängung und andererseits verursacht sie die freie Assoziation im Rahmen der Grundregel als dritte Position, die die Verhältnisse im analytischen Raum bestimmt. Kann man trotz dieser Eigenschaften der Psychoanalyse als ein Psychoanalytiker revolutionär und politischer Aktivist sein?
Freud betont: „In ihr [der Psychoanalyse] selbst sind genug revolutionäre Momente enthalten, um zu versichern, dass der von ihr Erzogene im späteren Leben sich nicht auf die Seite des Rückschritts und der Unterdrückung stellen wird. Ich meine sogar, revolutionäre Kinder sind in keiner Hinsicht wünschenswert.“ (1933).
Oder wie Lacan ein Jahr vor den Mai-Unruhen in Paris betont: „Das Unbewusste, das ist die Politik“ (1967) , was viel radikaler klingt.
In einem Briefwechsel mit Peter Widmer (2022) über diese Aussage von Lacan hat er es für mich so interpretiert:
„Die Psychoanalyse will ja Mangel und Begehren erfahrbar machen. Ausgehend von diesen Erfahrungen, die sowohl von der Libido als auch von der Unvollständigkeit der Sprache, vom Seins- wie auch vom Objektmangel herkommen, erweist sich die Abhängigkeit jedes Subjekts vom Anderen, wobei mit dem Anderen sowohl die Sprache wie der andere Mensch gemeint ist. Was die Subjekte miteinander verbindet, das ist eben das Unbewusste, bestehend aus Libido, Phantasmen und Symptomen. Sie sind eingebettet in Verfassungen, Gesetze, Regelungen, deren Grund der psychoanalytische Diskurs aufzeigen kann. Die zwischenmenschlichen Verhältnisse sind somit Ausdruck des Unbewussten, vielleicht müsste man auch sagen: Folge des Unbewussten. Anders gesagt und auf das Subjekt angewendet: Das Subjekt muss irgendwie mit seinen Mängeln zurechtkommen, auch mit dem Sachverhalt, dass die Libido nicht an ein bestimmtes Objekt gebunden ist. Deshalb muss es Beziehungen eingehen, Regelungen, Vereinbarungen treffen, Objekte suchen, die Befriedigung verschaffen, d. h. auf ganz privater Ebene Politik betreiben. Aber diese private Ebene ist grundsätzlich nicht anders als die gesellschaftliche Ebene, auch sie hat unbewusste (Ab-)Gründe. Dies in aller Kürze. Wenn Du möchtest, könnte ich an einem Tag die Diskurse vorstellen, auch den Diskurs des Kapitalisten. Das ist sehr interessant, weil dort besonders die Rolle des Genießens deutlich wird.“
Man kann annehmen, dass das iranische Volk eine tiefe Enttäuschung von dem vorhandenen Zustand erlebt hat und diese Enttäuschung das Ende der Täuschung der Regierung ist.
7. Der Eigenname Siavoushan
Am Ende möchte ich einige Anmerkungen im Zusammenhang mit der Frage über die iranische Mythologie von Siavoushan machen.
Siavoushan ist eine Pflanze, die aus dem Blut von Siavousch gewachsen ist. Dieser Zusammenhang zwischen dem Blut und dem Mythos ist der Sage von Narziss sehr ähnlich. Als Siavousch auf die Welt kam, starb seine Mutter. Sein Vater, der König war, wollte ihn nach dem Tod seiner geliebten Frau, die wie eine Nymphe war, nicht mehr sehen. Rostam, der bekannteste Held im Iran, hat ihn großgezogen und kultiviert. Als Siavousch erwachsen wurde, hat er seinen Vater besucht. Seine Stiefmutter hat sich in ihn verliebt und versucht, ihn zu verführen. Er hat ihre Liebe nicht erwidert und ihr gesagt, dass er seinen Vater nicht verrate. Die Stiefmutter erzählte dem König die Geschichte umgekehrt. Der König entschied, eine archaische Prüfung durchzuführen. Nach dieser musste Siavousch auf einem Pferd durchs Feuer reiten. Wenn er unschuldig war, würde er nicht im Feuer verbrennen. Siavousch bestand diese Prüfung (Ferdowsi 1010).
In diesem Stück der Geschichte lassen sich einige wichtige analytische Erkenntnisse finden.
Die Abfolge der Geburt und des Todes. Jede Geburt ist – ausgehend von der narzisstischen Atmosphäre des Mutterleibs – eine Trennung. Diese Trennung ist eine Verletzung, die ihre Narbe im Nabel äußert, der für das steht, was nicht in Worte gefasst werden kann, was Freud „Nabel des Traumes“ nennt (1900). In der persischen Sprache werden die abhängigen Personen von der Mutter als ungeschnittener Nabel und gehangen bezeichnet. Die wörtliche Übersetzung auf Persisch ist „gehangen“, dies hat die Bedeutung von abhängig, analytisch lässt sich formulieren: das Phallus-Sein für die Mutter. In der deutschen Sprache kann man auch die Anwesenheit des Signifikanten „häng“ im Wort „Abhängigkeit“ sehen. Durch das Phallus-Sein (für die Mutter) kann man „gehangen sein“ und abhängig bleiben.
Andererseits ist die Geburt mit einer Trauer verbunden. Jede psychische Entwicklung braucht eine Trauerarbeit im Zusammenhang mit dem Ver-Lust der Mutter. Jede Geburt ist ein Weg zum Tod. Hier lässt sich fragen, ob die Geburtsfeier eine Reaktionsbildung gegen die Angst vor dem Tod oder eine unbewusste Neigung zum Tod ist. Das Wort für Mutter ist auf Persisch Madar. Das Wort Madar hat zwei Silben, zwei Signifikanten, Ma (wir) und Dar (in), was man (in uns) auch mit einem anagrammischen Schnitt hören kann. Deswegen lässt sich in der Geschichte von Siavousch der Tod der Mutter (aus der Sicht von Siavousch) als eine Kastration, als Trennung von der narzisstischen Beziehung zu der Mutter, interpretieren. Wie Ödipus hat Siavousch zwei Väter, ein Vater ist ein Ungeheuer wie der Urvater, der ihn verbannt hat (Keykavous), der zweite Vater ist der symbolische Vater, der ihn erzogen hat (Rostam).
Freud (1932) nennt das Kind kleiner Prometheus und interpretiert das Feuer und seine Flamme als erotische Erregungen. Er schreibt ausführlich über die unbewusste Relation zwischen Feuer und Wasser. Siavousch muss durch die Flammen des Feuers reiten, weil er durch die Stiefmutter, die Sudabeh heißt, beschuldigt wurde. Sudabeh bedeutet Besitzer des klaren Wassers. Siavousch kann auf die inzestuösen brennenden Reize in den verschiedenen Stufen verzichten und Frustration, Privation und Kastration akzeptieren. Aber wie Lacan über die väterliche Metapher (1958) betont, muss die Mutter auch vom Vater kastriert werden, was dem Mutterersatz (Sudabeh) nicht passiert ist.
Während des Krieges zwischen dem Iran und Turan an den Grenzen der Länder der beiden Rivalen hat Siavousch sehr mutig gegen Turan gekämpft. Tur war der Sohn des sechsten mythischen Urkönigs Fereidun. Im Königsbuch von Firdausi steht das Wort Turan für das Gegnerland des Irans. Turan hat den Krieg verloren und einhundert Ritter und Soldaten von Turan wurden als Geiseln genommen, um den Krieg zu beenden. Siavousch hat ihnen versprochen und geschworen, dass er keine militärische Aktion gegen sie durchführen werde. Aber der König (sein Vater) hat ihm vorgeschrieben, sie zu töten. Er hat diesen urväterlichen Befehl nicht angenommen. Stattdessen hat Siavousch sie freigelassen, damit sie nach Turan zurückgehen konnten. Er ist selbst mit ihnen nach Turan gegangen, weil er wusste, dass seine Bestrafung als Rebell die Todesstrafe ist. Er wurde Schwiegersohn des Königs von Turan und hat die freie kultivierte Stadt Siavouschgard in Turan gebaut. Durch die Verschwörung einiger Gegner und neidischer Rivalen wurde der König von Turan (sein Schwiegervater) pessimistisch und paranoid ihm gegenüber und hat ihn enthauptet. Siavousch hat auf jegliche militärische Verteidigung verzichtet, um sein Wort, sein Versprechen, seinen Eid nicht zu brechen. Er hat sein Leben um seines Begehrens willen geopfert. Aber aus seinem Blut, das nach der Enthauptung auf die Erde geflossen ist, entstand eine Blüte und das Blut war fruchtbar (Ferdowsi 1010).
Freud (1918) erklärt bei der Deutung der Tragödie von Hebel die Enthauptung stelle eine symbolische Kastration dar.
Nach dem Tod von Siavousch durch seinen Schwiegervater, dem König von Turan, hat seine Frau Farangis ihr Haar (ihre Locke) geschnitten. Dies war ein Zeichen der Trauer und des Protests. In einigen alten persischen Gedichten, besonders bei Hafiz, findet sich diese Metapher. In der alten Zeit dachten die Menschen, dass das Haar wie das Blut Lebenskraft hat. Deshalb legten sie nach dem Tod eines Bekannten ihr abgeschnittenes Haar in dessen Grab, da es das Leben der Toten in der anderen Welt (Jenseits) garantieren sollte. In der Mythologie kann man in der Geschichte des Todes von Enkidu (der tierische Doppelgänger von Gilgamesch) lesen, dass Gilgamesch sein Haar geschnitten hat (Mokhtarian 2010). Heutzutage lässt sich in den Demonstrationen dieses symbolische Verhalten ebenfalls beobachten. Andererseits wird das Verb „schneiden“ im Kontext der Kastration verwendet, wie Freud (1918) in seinem Artikel über den Wolfsmann erwähnt. Aber die Frage ist, wer wen kastriert. Heutzutage lässt sich dieser Akt als eine kollektive Aktion in der Öffentlichkeit, eine Art der Kommunikation in der Welt interpretieren, die Wut, Protest und Trauer zeichnet. Mircea Eliade nennt solche Phänomene Degradation der Mythen und Rituale.
1 Die Mitglieder des Wächterrats werden von oberster Stelle ausgewählt. Diese 12 Mitglieder haben über wichtige Themen wie die Zulassung der Präsidentschaftskandidaten oder sogar die Zulassung der Kandidaten zur Teilnahme an den Parlamentswahlen zu entscheiden. Die Verabschiedung von Gesetzen geschieht nur unter der endgültigen Bestätigung dieses Ausschusses.
Literaturverzeichnis
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Autor:in: Hossein Modjtahedi, Dr., ist als Psychoanalytiker und Psychotherapeut in Teheran und Hamburg tätig. Er hat Psychologie an den Universitäten Teheran und Beheshti studiert und danach an der Universität Hamburg und am Universitätsklinikum Eppendorf promoviert. Seine Schwerpunkte waren, Entwicklungspsychologie und Psychopathologie, Psychosomatik und analytische Psychotherapie. Er ist einer der Mitglieder, Analytiker und Dozenten des Siavoushan-Instituts, das in Zusammenarbeit mit der Assoziation Espace Analytique in Frankreich regelmäßige Seminarreihen auf dem Bereich der Freud-Lacansche Psychoanalyse veranstaltet und Analyse sowie Kontrollanalyse für die Teilnehmenden ermöglicht. Er ist Mitglied vom Psychoanalytischen Kolleg in Berlin und der psychologischen Abteilung der Akademie für die persische Sprache und Literatur. Neben zahlreichen Publikationen sowie Tätigkeiten als Übersetzer und Herausgeber einschlägiger Fachliteratur ist er unter anderem Chefredakteur der psychoanalytischen, kulturellen und sozialen Zeitschrift Diskurse von Siavoushan.
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