Humor in Debatten des 21. Jahrhunderts

Prager Gruppe*

Y – Z Atop Denk 2024, 4(9), 1.

Abstract: Die Prager Gruppe* ist ein Zusammenschluss von Philosoph:innen, die sich dem Ziel verschrieben haben, eine Schnittstelle zwischen Akademie und Gesellschaft zu sein. Eine erste Veranstaltung fand deshalb am 02.08.2024 in einem für die akademische Philosophie ungewohnten Setting statt: Auf einem Musik-Festival im schönen Fichtelgebirge. Dort kommen jedes Jahr etwa 250 alte und neue Freund:innen aus aller Welt zusammen, um gemeinsam zu feiern. Mit ihnen wollte die Prager Gruppe* ins Gespräch kommen und gemeinsam philosophieren. Eine gut besuchte Abendveranstaltung unter dem Titel „Are we serious? Humor in debates of the 21st century“ (Meinen wir das ernst? Humor in Debatten des 21. Jahrhunderts) leiteten die Mitglieder der Prager Gruppe* Marius Sitsch, Nico Graack und Thérèse Gräff mit kurzen Impulsvorträgen ein, die eine gut 90-minütige, lebhafte Diskussion starteten – Das Experiment, Philosophie in diesen Kontext zu bringen, war erfolgreich. Wir drucken hier diese Impulsvorträge ab, aus dem Englischen übersetzt.

Keywords: Humor, Lachen, Weinen, Alterität, Subversion, Meme, Verletzlichkeit, Macht

Copyright: Prager Gruppe | Lizenz: CC BY-NC-ND 4.0

Veröffentlicht: 03.10.2024

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Lachen = Weinen

Marius Sitsch

Fragen Sie mal einen Philosophen, ob er:sie es Ernst meint, dann ernten Sie wahrscheinlich einen herablassenden Blick: wie können Sie es wagen? Natürlich meint er:sie es ernst, Philosophie war schon immer sehr ernst gemeint. An dieser Stelle sollten Sie dann lachen. Es gibt da eine Geschichte über den ersten Philosophen, einen Typ namens Thales, der sagte, es gibt hier zu viele Götter, womit er meinte, wir brauchen andere Erklärungen, und der auch sagte, alles ist Wasser – was seine Erklärung war, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Er war einer der so genannten sieben Weisen und, soweit wir wissen, die erste Person, die eine Sonnenfinsternis vorhersagte und so mittels Theorien und Rationalität ein bisschen prähistorische Furcht und alten Aberglauben beseitigte. Aber alles hat seinen Preis. In der Geschichte machte Thales in Begleitung einer thrakischen Sklavin einen Nachtspaziergang, um die Sterne zu studieren, und während er bewundernd in den Himmel blickte, fiel er in einen Brunnen. Das thrakische Mädchen tat, was jeder vernünftige Mensch getan hätte, und lachte sich kaputt. Ziemlich ironisch, finden Sie nicht auch: der Typ, der sagt, alles sei Wasser, fällt in einen Brunnen, weil er gedanklich im Ideenhimmel surft. Die Frage ist nun: Wer ist der wahre Philosoph? Der Typ mit all seinen mächtigen Theorien oder das Mädchen, das über ihn lacht?

Was ist Lachen überhaupt? Nun, die Philosophie sagt uns, Lachen (und nebenbei gesagt ebenso Weinen) sei das, was uns zu Menschen macht. Nicht Sprache, nicht Rationalität oder der Gebrauch von Werkzeugen, nicht das Wohnen in Häusern, Essen bestellen oder Netflix. Lachen. Lachen ist nichts rein Psychologisches, aber auch kein bloßer physischer Vorgang, wie etwa Verdauung. Es ist auch nichts, wozu wir uns entscheiden: Lachen bricht aus uns hervor, ebenso wie wir in Tränen ausbrechen. Beide überwältigen uns, wir müssen loslassen. Lachen ist das Fremde gegenüber unserem sonst so kontrollierten Verhalten, der Störenfried aller sozialisierter Normen. Und doch ist es eine leibliche Antwort auf etwas. Es ist die Antwort auf etwas, für das wir keine Antwort haben. Unser Körper antwortet, wenn unser Verstand nicht mehr begreifen kann, was zum Teufel da gerade passiert. Beide, Lachen und Weinen, ermöglicht es uns, das Unfassbare zu erfassen oder wenigstens mit ihm umzugehen. Zum Beispiel, dass wir nicht nur Verstand bzw. Geist und nicht nur Körper sind. Wir sind die Menschen, die Sonette und Symphonien schreiben, aber sich über Furzwitze amüsieren, und die, obwohl sie den kollektiven Glauben an Geld oder Google teilen, trotzdem furzen. Wir sind Körper, die über ihren Verstand lachen. Denn wir können unseren Gedanken nicht entfliehen, so sehr wir uns das manchmal auch wünschen, wenn sie sich unser Geist wie das schrecklichste Gefängnis anfühlt. Aber wir können darüber lachen. Oder weinen.

Auf etwas zu antworten, auf das wir keine Antwort haben, bedeutet, eine Grenze zu überschreiten oder eine Entfremdung zu erleben. Diese Entfremdung oder Veränderung betrifft sowohl die lachende Person als auch diejenigen, über die gelacht wird, und sogar die gesamte Situation. Wie Sie wissen, verändert Lachen alles. Treten wir zur Seite, verwandeln sich viele Dramen in Komödien. Was uns zu der Frage führt: Worin besteht dann der Unterschied zwischen Drama und Komödie, zwischen Lachen und Weinen? Ich würde behaupten, und das ist meine überspitzte These: es gibt keinen. Lachen und Weinen oder Freude und Trauer sind ein und dasselbe. Bevor Sie mir jetzt vorwerfen, dass ich großen Mist verzapfe, frage ich mich, ob Sie jemals ein Erlebnis hatten, bei dem Sie gleichzeitig gelacht und geweint haben. Ich hatte ein solches Erlebnis, auf einem langen und einsamen Meditationsretreat; all die mühsam unterdrückte Trauer und all der Kummer in mir, all die verdrängten Gefühle, die ich nicht rauslassen wollte, kamen mit einmal hoch. Doch während mich dieser Ausbruch überwältigte und ich unkontrolliert schluchzte, erkannte ich zugleich, wie schön es war, endlich loszulassen, endlich zu fühlen, und mein Schnappen nach Luft wurde ein herzhaftes Lachen. Oder denken Sie an eine etwas universellere Erfahrung: der Tod eines geliebten Menschen. Es gibt nichts, was wir sagen oder tun könnten, um diese Erfahrung weniger schmerzhaft, weniger schrecklich zu machen. Es tut einfach weh, und es wird weiter wehtun, in all den Jahren, die noch kommen. Es ergibt einfach keinen Sinn und alle Bedeutung gleitet an diesem Schmerz ab, und deswegen weinen wir. Aber drehen wir das einmal um: Wir weinen, weil wir einen geliebten Menschen verloren haben, weil wir geliebt haben und immer noch lieben, und weil wir geliebt wurden ─ ist das nicht wundervoll? Hier, direkt an der Wurzel unserer Trauer und unseres Schmerzes liegt Freude, vielleicht sogar Entzücken, denn was kann es Schöneres geben, als eine tiefe Verbindung mit anderen Menschen? Das scheint paradox, und vielleicht ist es das auch, denn es ergibt keinen Sinn. So viele Dinge ergeben keinen Sinn, ja tatsächlich haben wir Sinn in gewisser Weise erfunden. Das ist es, was uns Lachen zeigt. Wir haben uns das ausgedacht. Wie den Mythos der Jungfräulichkeit oder die Funktion des Jungfernhäutchens, wie Jungs sind halt Jungs und Männer halt Männer, oder der freie Markt reguliert sich selbst. Wir können darüber wütend sein, und vielleicht sollten wir das auch, aber wir sollten ebenso darüber lachen. Weil wir so dumm waren, uns das auszudenken. Und manchmal sind wir so sehr damit beschäftigt, in den Himmel zu starren und Luftschlösser zu bewohnen, dass wir auf unseren Hintern landen. Auch darüber sollten wir lachen, das macht uns menschlich.

 

Subversiver Humor ist gelaufen

Nico Graack

Ich glaube, die meisten von uns stellen sich Humor, vor allem unseren eigenen, gerne als eine Subversion der Macht vor. Wenn ich jemanden mit Autorität lächerlich mache, wenn ich giftige Witze über politische Ungerechtigkeiten mache – verliert dann nicht die Autorität ihre Macht über mich, verliert nicht die Ungerechtigkeit ihren Halt, indem sie ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt? Und ist nicht auch dieses Bild vom Humor als einer ganz außergewöhnlichen Gegenmacht, dasjenige, was Marius’ Bild der Thrakerin als eigentliche Philosophin impliziert – hier die Subversion gegen die Macht unseres Verstands, die selbst da noch eine Antwort hat, wo es keine gibt. Ist Humor nicht das beste Werkzeug jeder Subversion? Die These, für die ich argumentieren möchte, lautet schlicht: Nein. Die Idee des subversiven Humors ist heute gelaufen. Und das Hauptargument ist: Die gefährlichsten, neuen Formen der Macht heute – also die neue Rechte von Trump bis Bolsonaro – sind selbst schon Memes, selbst schon transgressive Witze.

Aber zuerst muss ich sagen, was ich mit ‚subversivem Humor‘ meine. Die Idee ist einfach: Humor in diesem Modus soll als Mittel fungieren, um Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen herauszufordern. Chris A. Kramer, der seine Dissertation über subversiven Humor geschrieben hat, vergleicht solchen Humor – und er scheint dabei vor allem an Satire zu denken – mit Gedankenexperimenten, da er fiktive Welten konstruieren kann, in denen reale Weltanschauungen in Frage gestellt werden. Humor in diesem Sinne soll Widersprüche zwischen expliziten Überzeugungen und unbewussten Vorurteilen oder einfach nur Inkonsistenzen in politischen Institutionen und Politiken aufzeigen – die Pointe des Witzes beruht auf einer solchen Inkonsistenz. Solche Witze bedürfen dem, was er den „Spielmodus“ nennt, in dem sich Humorist:in und Publikum befinden, wodurch angeblich die emotionalen Widerstände umgangen werden, denen man sich gegenübersieht, wenn man diese Inkonsistenzen einfach in einem Argument aufzeigt. Das ist die Idee in politischen Late-Night-Shows, klassischem Kabarett und dergleichen (man denke an Böhmermann für ein aktuelles, deutsches Beispiel): Indem wir über diese Inkonsistenzen und Ungerechtigkeiten lachen, eröffnen wir den Raum, sie zu bekämpfen. Und das beinhaltet oft Überschreitungen des Sagbaren – man schockiert sein Publikum, um diesen Raum zu öffnen, gerade genug, um zu sagen: ‚Das hat sie nicht gerade gesagt, auf keinen Fall!‘ und gleichzeitig zum Nachdenken anzuregen.

Warum denke ich, dass das gelaufen ist? Meine These ist, dass eine solche Idee von subversivem Humor die Ernsthaftigkeit der angegriffenen Seite der Macht voraussetzt. Mit ‚Ernsthaftigkeit‘ meine ich, dass diese Macht den Anspruch erhebt, konsequent (konsistent) zu sein und ihre Macht daraus bezieht, ernst genommen zu werden – das klassische Bild der Autorität: der starke Vater, der Führer, das oberste Gericht. Lachen ist in der Tat eine Bedrohung für eine solche Autorität, weshalb Gerichte in der Regel recht aggressiv auf Lachen reagieren (man denke an Aktivist:innen, die während ihrer Prozesse ‚Gerichtstheater‘ spielen, und die harschen Reaktionen, die sie erhalten). Aber das ist nicht der Fall bei der Verkörperung der größten Ungerechtigkeiten heute: der Neuen Rechten.

Das beste Beispiel dafür ist Trump. Er selbst ist ein Meme und war es schon lange vor seiner Kandidatur. Dieses Meme bestand zunächst aus dem stereotypen amerikanischen Tycoon: erfolgreich, arrogant, ein bisschen schräg. Er strahlte seine eigene Sendung The Apprentice aus, in der man einen Job in einer seiner Firmen gewinnen konnte, und ließ sich sogar den Slogan „You're fired!“ schützen (der heute auf Pappschildern in die Kameras bei Wahlkampfauftritten gehalten wird). Und er spielte sich selbst in Filmen wie Home Alone 2. Als er dann 2015 seine Kandidatur ankündigte, traf dies auf den fruchtbaren Boden, der in Interneträumen wie 4chan bereitet wurde, wo es um Exzess geht – Exzess in dem Sinne, dass der Humor dort bereits die klassische Unterscheidung zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit aufgegeben hat: Die Schichten der Ironie sind so dick, dass die Dinge einfach dadurch lustig werden, dass sie die Grenzen so weit wie möglich überschreiten, ohne dass irgendjemand wissen muss, was das ‚Grundlevel‘ der Ernsthaftigkeit ist – das meinte ich, als ich von ‚transgressivem’ Witz sprach. Auch die berüchtigte Gamergate-Kampagne gegen Frauen in der Videospielindustrie war gerade erst zu Ende gegangen und hat nicht nur die Fähigkeiten des koordinierten Trollings bewiesen, sondern auch den Grundstein für eine starke Gemeinschaft gelegt, die sich um den vermeintlichen Angriff auf die Männlichkeit dreht.

Im Jahr 2015 kündigte Trump dann also seine Kandidatur an. Ein ehemaliger Offizier des militärischen Nachrichtendienstes, der Online-Räume beobachtete und an ihnen teilnahm, erinnert sich: „Viele Leute dachten am ersten Tag: ‚Das wäre verdammt witzig‘, und als er dann mit politischen Themen ankam - die Grenzmauer, der ‚muslim-ban‘ –, sagten die Leute in den Foren: ‚Das kann nicht wahr sein. Das ist der größte Troll aller Zeiten‘“1. Also begannen Gruppen von Leuten, die lustigsten und einprägsamsten Memes zu erstellen und sie von 4chan (oder 8chan, das sich im Zuge der Gamergate-Kampagne als radikaler Flügel bildete) aus auf größeren Plattformen wie Reddit, Twitter und dergleichen zu verbreiten. ‚Pepe der Frosch‘ wurde bald zum Markenzeichen dieser Bewegung, und Trump machte sich dies zu eigen und postete während des Wahlkampfs ein Meme von sich als Pepe.

Aufgrund dieser Struktur des ‚Trump-Zugs’ und der Neuen Rechten verliert der subversive Humor meiner Meinung nach an Zugkraft. Die Late-Night-Shows in den USA waren voll von lustigen Episoden, die sich über die neuesten Aussetzer von Trump lustig machten. Aber das ist Wasser auf den Mühlen der Logik der Neuen Rechten: Trump ist seltsam, unsinnig? Je mehr man das beweist, desto mehr beweist man seine Außenseiterrolle, seinen Underdog-Charakter, seine ‚weirdness‘ – seinen Meme-Charakter. Sich über ihn lustig zu machen, macht ihn stärker.

Ist das also das Ende des Lachens und des Gefühls, fortschrittlich zu sein? Gibt es keine Form mehr, in der Humor eine Rolle im Kampf gegen Ungerechtigkeiten und Unterdrückung spielen kann? Es zeigt sich im Folgenden, dass es sie geben könnte: Was war Trumps allererster Angriff auf Kamela Harris? Er benutzte, wie immer, die Logik des Mems – wie in „Sleepy Joe“. Und was hat er angegriffen? Ihr Lachen: „laughing Kamala… she’s nuts“. Das allererste, was er sah und gegen das er sich verteidigen musste, war das Lachen. Welche Art von Lachen das ist, vor dem die neue Rechte Angst hat – das müssen wir herausfinden. Die klassische Form des subversiven Humors ist es nicht.

 

Die Macht-Dynamiken des Humors: Eine Reflexion über Anerkennung und Verletzlichkeit

Thérèse Gräff

Humor wird häufig als ein harmloser Genuss angesehen, doch seine Bedeutung und Wirkung gehen weit darüber hinaus. Insbesondere im Kontext der sozialen Machtverhältnisse und zwischenmenschlichen Beziehungen offenbart sich Humor als ein vielschichtiges Phänomen, das sowohl die Macht über andere als auch das Streben nach gegenseitiger Anerkennung umfasst. Die Auseinandersetzung mit Humor durch die Linse von Macht- und Beziehungstheorien offenbart, dass Humor nicht nur ein privates Vergnügen ist, sondern auch als soziales Werkzeug mit tiefgreifender Bedeutung fungiert.

Im Kontext der aktuellen Debatten über eine zunehmende Intoleranz gegenüber Humor und der steigenden Anzahl an Beleidigungen, wie im Fall von Charlie Hebdo, wird deutlich, dass Humor sowohl eine Quelle des sozialen Konflikts als auch ein Mittel zur Machtbefugnis sein kann. Um diese Dynamiken angemessen zu erfassen, ist es hilfreich, Humor aus einer relationalen Perspektive zu betrachten, so meine These.

Humor funktioniert nicht isoliert, sondern immer im Kontext von Beziehungen und Machtverhältnissen. Er ist ein Medium, das Macht ausüben kann – sei es durch die Überlegenheitstheorie, die aufzeigt, dass wir über andere lachen, um unser eigenes Überlegenheitsgefühl zu bestätigen, oder durch die Inkongruenztheorie, die verdeutlicht, dass Humor Normen herausfordert und uns mit unerwarteten, oft absurd wirkenden Situationen konfrontiert. Beide Perspektiven verdeutlichen, dass Humor eng mit Machtverhältnissen und der Herausforderung bestehender gesellschaftlicher Normen verknüpft ist.

Des Weiteren zeigt sich, dass Humor in einem Spannungsfeld zwischen Unabhängigkeit und Abhängigkeit operiert. Die Fähigkeit, einen Witz zu machen, setzt eine gewisse Unabhängigkeit von sozialen Normen und Konventionen voraus. Gleichzeitig ist der Erfolg eines Witzes stark von der Reaktion des Publikums abhängig. Diese wechselseitige Abhängigkeit verdeutlicht die Fragilität von Humor als soziale Praxis. Die Komödianten suchen nach Anerkennung und Bestätigung durch das Lachen des Publikums, während sie gleichzeitig durch ihre Fähigkeit, bestehende Normen herauszufordern, Unabhängigkeit demonstrieren.

Das Konzept der Anerkennungstheorie, wie es von Axel Honneth und anderen Philosophen entwickelt wurde, liefert eine tiefere Einsicht in diese Dynamiken. Humor kann als ein Instrument zur sozialen Kritik und zur Machtumverteilung dienen, besonders für marginalisierte Gruppen, die durch Witze und Satire bestehende Machtstrukturen in Frage stellen können. Humor wird hier zum Werkzeug für soziale Transformation und als Akt der Rebellion gegen etablierte Machtstrukturen.

Frederica Gregoratos Ansatz zur Liebe als sozialer Beziehung zeigt, dass Humor in ähnlicher Weise wie Liebe als ein relationaler Akt betrachtet werden sollte. Beide – Humor und Liebe – erfordern ein Gleichgewicht zwischen Selbstbehauptung und Anerkennung durch andere. Humor, der authentisch und verletzlich ist, fördert die gegenseitige Bestätigung und stärkt soziale Bindungen. Er kann zur (Um-)Verteilung von Machtverhältnissen beitragen, indem er marginalisierten Stimmen eine Plattform bietet, um gegen die Mächtigen zu protestieren und ihre eigene Position zu behaupten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Humor ohne Berücksichtigung der Macht- und Beziehungskontexte unvollständig bleibt. Er ist ein dynamisches und komplexes Phänomen, das sowohl die Durchsetzung eigener Normen als auch die Suche nach sozialer Anerkennung und Validierung umfasst. Humor ist demnach nicht nur eine Form des Vergnügens, sondern ein ernstzunehmendes Mittel zur sozialen Einflussnahme und Machtverhandlung. Die Reflexion über Humor aus der Perspektive von Macht und Verletzlichkeit verdeutlicht, dass diese dynamischen Wechselwirkungen zentral für das Verständnis des Humors und seiner gesellschaftlichen Rolle sind.

 


1 Schreckinger, Ben: „World War Meme“. In: Politico (März/April 2017). https://www.politico.com/magazine/story/2017/03/memes-4chan-trump-supporters-trolls-internet-214856/ [30.09.2024].



Autor:in: Thérèse Gräff ist Doktorandin der Philosophie an der Karls-Universität Prag. Neben des Schreibens ihrer Dissertation über die Rhythmizitäten unseres In-der-Welt-Seins beschäftigt sie sich als kunstschaffender Freigeist und kreative Deutschlehrerin mit der praktischen Anwendung philosophischer Konzepte. Als multidisziplinäre Denkerin studierte sie ebenfalls Soziale Arbeit in München und Logotherapie in Trier. Ihr erstes Buch trägt den Titel Bist du bei Sinnen oder philosophiert du noch (Traugott Bautz, 2024) und ihre erste Kunstausstellung fand im Cafedu in Prag statt.

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Autor:in: Marius Sitsch promoviert an der Karls-Universität Prag und der Bergischen Universität in Wuppertal zur Verbindung von Epoché und Dialogizität sowie dem philosophisch-therapeutischen Potential einer praktischen Epoché. Er studierte von 2018 bis 2020 im Erasmus-Mundus-Masterstudiengang „Zeitgenössische Probleme Deutscher und Französischer Philosophien" an der Karls-Universität in Prag und der Université catholique de Louvain in Louvain-la-Neuve. Neben seinem Studium war er von 2018 bis 2022 Chefredakteur der philosophischen Fachzeitschrift AUC Interpretationes. Von ihm erschien zuletzt Epoché und Alterität − Invarianten des Epoché-Vollzugs und Weg in eine enthaltende Haltung (Königshausen & Neumann, 2023).

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Autor:in: Nico Graack hat Philosophie und Informatik in Kiel und Prag studiert. Derzeit bereitet er seine Promotion zu Lacans Logik und ihrer Interpretation in der Ljubljana Schule vor. Daneben arbeitet er als freier Autor und Journalist, Beiträge von ihm erschienen u.a. in Jacobin, analyse&kritik, Philosophie Magazin und Deutschlandradio. Er engagiert sich in verschiedenen Teilen der Klimabewegung. Sein erstes Buch Wenn ich groß bin, möcht' ich auch mal Spießer werden. Reflexionen von der Tankstelle (IPPK-Verlag) erschien 2023.

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