Zum Unheimlichen des Unbewussten in der Kulturindustrie
Sonja Witte
Y – Z Atop Denk 2024, 4(8), 1.
Originalarbeit
Abstract: Mit dem Begriff „Kulturindustrie“ sind in der Kritischen Theorie Theodor W. Adornos verschiedene Überlegungen zu kulturellen Prozessen und Phänomen im Kapitalismus verbunden. Dabei geht es u. a. um die Frage, inwiefern das gesellschaftliche Prinzip der Warenförmigkeit in medialen Techniken und Ästhetiken sowie deren Rezeption wirksam ist. Das Unheimliche – so die hier vorgestellte Überlegung – bildet in der Kulturindustrie einen Bereich, in dem sich das Verhältnis von Unbewusstem und Gesellschaft in spezifischer Weise ausgestaltet, welche gängigen Rezeptionen des Begriffs der Kulturindustrie widerspricht. In Anknüpfung an psychoanalytische Theorien des Unheimlichen wird anhand von Filmbeispielen skizziert, inwiefern im Unheimlichen Ambivalenzen der Warenförmigkeit in Erscheinung treten.
Keywords: Kulturindustrie, Adorno, Unheimliches, Gesellschaftliches Unbewusstes, Filmtheorie, Freud
Copyright: Sonja Witte | Lizenz: CC BY-NC-ND 4.0
Veröffentlicht: 30.08.2024
Artikel als Download: Y - Z Atop Denk 2024, 4 (8), 1.pdf
1. Einleitung
Im Jahr 1960 fand in New York die Premiere von Peter Kubelkas Flickerfilm Arnulf Rainer statt. Die Mutter des Künstlers soll, wie Vinzenz Hediger kolportiert, die Vorführung dieser „siebenminütigen, streng komponierten Abfolge von schwarzen und weißen Bildkadern […] folgendermaßen kommentiert haben: ‚So etwas kann auch nur meinem Buben passieren! Jetzt ist der Projektor kaputt.‘“ (Hediger 2006, S. 205). Kubelkas Experimentalfilm besteht aus vier Elementen: helle und schwarze Kader, Ton (weißes Rauschen) und Nicht-Ton, die sich kontrapunktisch abwechseln. Dem mit dem Bildwechsel einhergehenden stroboskopischen Flackern verdanken solcherart Filme ihre Bezeichnung Flicker.
Flickerfilme experimentieren mit Bedingungen und Mechanismen der Wahrnehmung von Bewegungsillusion im Kino. Werden Einzelbilder in genügend hoher Frequenz (in der Regel 24 pro Sekunde) eingeblendet, so entsteht die Illusion von kontinuierlicher Bewegung. Bei geringerer Frequenz erzeugen die Lücken zwischen den projizierten Einzelbildern Flimmern – dieses vom konventionellen Kino vermiedene Phänomen ist der Stoff des Flickerfilms, der in spezifischen Kompositionen beim Publikum halluzinatorische Effekte bewirken kann. Ute Holl hält fest: „Farben und andere Nebeneffekte existieren dabei nicht auf der Leinwand, sondern entstehen erst in der Übertragung und der Wahrnehmung des Publikums in einem Dazwischen“ (Holl 2008, S. 116 [Herv. d. Verf.]).
Der Filmkünstler Tony Conrad bezeichnet seine – nach demselben Prinzip wie Kulbelkas Film funktionierende – Arbeit The Flicker (USA 1965) auch als einen halluzinatorischen Trip durch eine unerforschte Höhle. The Flicker wurde seit seiner Premiere 1966 auf dem New York Film Festival „als Angriff auf die Unversehrtheit der ZuschauerInnen in der visuellen Wahrnehmung“ (Holl 2008, S. 111) rezipiert. Während in der Regel im Kino bewegte Objekte auf der Leinwand zu sehen sind, spricht The Flicker Christa Blümlinger zufolge „das ‚innere Auge‘“ (Blümlinger 2006, S. 138) an, d. h. „die zentrale Wahrnehmungsfunktion ‚als elektro-chemisches Funktionieren eines Nervensystems‘ (Sharits)“ (Blümlinger 2006, S. 138) und operiert auf diese Weise mit menschlicher Wahrnehmung als einer „apparative[n] und perzeptuelle[n] Variable“ (Blümlinger 2006, S. 138 [Herv. d. Verf.]).
Soll es im Folgenden um die Rolle des Unheimlichen in der Kulturindustrie gehen, so wird dabei ein Aspekt im Zentrum der Betrachtung stehen, welcher in den oben zitierten filmwissenschaftlichen Rezeptionen von Flickerfilmen zur Sprache kommt: Momente eines Dazwischens, welche sich u. a. als unheimliche Mischung von Mensch und Apparaten/Technischem in der Beziehung zwischen Subjekt und medialen Darstellungsverfahren geltend machen kann.
Hiervon ausgehend werde ich zunächst in einer vergleichenden Lektüre der Theorien des Unheimlichen von Ernst Jentsch und Sigmund Freud die Relevanz der Ambivalenz für unheimliches Erleben herausstellen. Diese spezifische, auf Lilli Gast bezugnehmende Lesart des Unheimlichen bildet den Ausgangspunkt der nachfolgenden Betrachtung des Unheimlichen im Bereich der Kulturindustrie im dritten und vierten Teil. Der Begriff der Kulturindustrie wird von Theodor W. Adorno entworfen, um die Spezifik kultureller Prozesse unter kapitalistischen gesellschaftlichen Bedingungen zu beschreiben. Meine Lesart der Kulturindustrie weicht von aktuell gängigen Rezeptionen dieses Begriffs ab, weswegen ich zunächst die theoretischen Hintergründe meines Verständnisses zu Beginn des dritten Teils beleuchte. Um meiner Fragestellung nach dem Unheimlichen in der Kulturindustrie weiter nachzugehen, wende ich mich weitergehend dem Begriff der Amalgamierungstendenz zu, den Adorno in der gemeinsam mit Hanns Eisler verfassten Schrift „Komposition für den Film“ verwendet. Im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zum Verhältnis von Ton und Bild im Kinofilm kommen die Autoren auch auf unheimliche Effekte zu sprechen. Ich werde diese Annahmen skizzieren, um sie dann im vierten Teil in einer Art Bildergeschichte mit Filmbeispielen zu illustrieren. Wie ich abschließend schlaglichtartig rekapitulieren möchte, eignet sich die Freud‘sche Theorie des Unheimlichen als Grundlage für eine alternative Lesart einer Kritischen Theorie der Kulturindustrie, die sich von gängigen Rezeptionen dieser als einer Manipulations- und Anpassungstheorie hinsichtlich einer stärkeren Berücksichtig unbewusst-konflikthafter Momente und widersprüchlicher Dynamiken abhebt.
2. Theorien des Unheimlichen
2.1. Ernst Jentsch – Unheimliches als Gegensatz des Heimlichen
Im Vorspann von The Flicker (1965) von Tony Conrad wird das Publikum auf einer eingeblendeten Texttafel darauf hingewiesen, dass keine Haftung für etwaige ‚Nebenwirkungen‘ der Vorstellung übernommen werde – der Film könne u.a. epileptische Anfälle auslösen, die Anwesenheit eines Arztes wird empfohlen. Ebenso wie das nachfolgende Rattern und Flackern erinnert auch diese Texttafel an Stummfilmzeiten, welche im weiteren Verlauf eine Rolle spielen werden.
Epileptische Anfälle können als historische Paradebeispiele für Unheimliches gelten. Eine der ersten Veröffentlichungen zum Phänomen unheimlichen Erlebens im Bereich der Psychologie stammt von Ernst Jentsch, der 1906 seinen Artikel „Zur Psychologie des Unheimlichen“ (Jentsch 1906) in der Psychiatrisch-Neurologischen Wochenschrift veröffentlicht.
Ein epileptischer Anfall, so ist diesem Text zu entnehmen, erwecke den unheimlichen Eindruck einer Verselbständigung von Mechanismen des Körpers, welche die Psyche gleichsam überfallen. Jentsch vermutet, dass der hysterische Anfall vergleichsweise weniger großes Befremden als der epileptische hervorrufe, da die Hysteriker:innen für gewöhnlich „das Bewusstsein behalten“ (Jentsch 1906, S. 184).1 Das mit dem Anschein der Verselbständigung beim epileptischen Anfall sich präsentierende Zusammentreffen von Menschlichem und Maschinellem erwecke dessen unheimliche Wirkung.
Für diese sucht Jentsch eine Erklärung und kommt auf folgende Annahme:
Die Entstehung von Gefühlen des Unheimlichen sei grundsätzlich auf einen
Mangel an Orientierung, auf eine – wie er es nennt – intellektuelle Verunsicherung zurückzuführen. Diese trete ein, wenn etwas „neu-fremd-feindselig“ erscheine bzw. wenn gewohnheitsmäßige Verknüpfungen von „alt-bekannt-vertraut“ mit „selbstverständlich“ in Frage gestellt würden (Jentsch 1906, S. 196). Die zentrale Annahme Jentschs also lautet: Neues-Unvertrautes oder Altvertrautes, welches (warum auch immer) als nicht mehr selbstverständlich (also als unerklärlich) gilt, erzeugt einen Mangel an Orientierung (im Sinne einer Verunsicherung des Verstandes), welcher mit dem Gefühl des Unheimlichen einherginge. Mit dem Begriff Unheimliches, so heißt es in Jentschs Text, scheine „wohl zweifellos ausgedrückt werden zu sollen, dass einer, dem etwas ‚unheimlich‘ vorkommt, in der betreffenden Angelegenheit nicht recht ‚zu Hause‘, nicht ‚heimisch‘ ist, dass ihm die Sache fremd ist oder wenigstens so erscheint, kurzum, das Wort will nahe legen, dass mit dem Eindruck der Unheimlichkeit eines Dinges oder Vorkommnisses ein Mangel an Orientirung verknüpft ist“ (Jentsch 1906, S. 196).
Jentsch beleuchtet in seinem Text unterschiedliche Phänomene, welche als besonders prädestiniert für unheimliche Wirkungen gelten – z.B. die Unsicherheit darüber, ob ein Objekt tot oder lebendig ist: „Entstehungsursache des Gefühls des Unheimlichen […] ist […] ganz besonders […] der Zweifel an der Beseelung eines anscheinend lebendigen Wesens und umgekehrt darüber, ob ein lebloser Gegenstand nicht etwa beseelt sei […]. Der Gefühlston hält so lange an, bis diese Zweifel behoben sind“ (Jentsch 1906, S. 197). Insbesondere E. T. A. Hoffmann greife in seinen Erzählungen häufig zu „psychologischen Manöver“, um Zwiespälte zu erzeugen in der Frage, ob man „in einer bestimmten Figur eine Person oder etwa einen Automaten vor sich“ habe (Jentsch 1906, S. 197).
Diese Interpretation greift Sigmund Freud in seinem Aufsatz „Das Unheimliche“ (Freud 1919h) auf, stellt diese in Frage und präsentiert in Abgrenzung zu Jentschs Ansatz eine andere, eine psychoanalytische Erklärung zur Entstehung und Wirkungsweise des Unheimlichen. Anhand von Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ versucht Freud seine Annahme zu belegen, dass die unheimliche Wirkung mit der „intellektuelle[n] Unsicherheit im Sinne von Jentsch nichts zu tun hat“ (Freud 1919h, S. 231). Freud interpretiert die Erzählung als symbolische Inszenierung der Kastrationsangst, worauf ich im Folgenden nicht weiter eingehen werde. Was mich hier in diesem Zusammenhang interessiert, ist lediglich Freuds Ausgangspunkt, nämlich seine Kritik an Jentschs Gleichsetzung des Unheimlichen mit dem Nicht-Heimischen, dem Fremden und Nicht-Vertrauten. Von dieser ausgehend werde ich – auch unter Bezugnahme auf Lilli Gasts Überlegungen – das Unheimliche als eine spezifische Erscheinungsform der Ambivalenz des Seelenlebens betrachten.
2.2. Sigmund Freud – „Unheimlich ist irgendwie eine Art von heimlich“
Freud leitet seine Überlegungen zum Unheimlichen mit einem Rückgriff auf einen Wörterbucheintrag zum Gegensatzwort heimlich ein und hält fest: Das „Wörtchen heimlich“ zeige „unter den mehrfachen Nuancen seiner Bedeutung auch eine […], in der es mit seinem Gegensatz unheimlich zusammenfällt“ (Freud 1919h, S. 235). Mit der Einbeziehung dieser Bedeutungsnuance deutet sich bereits eine entscheidende Differenz der Freud‘schen Sichtweise zu Jentschs Auffassung an, der – wie oben zitiert – „zweifellos“ davon ausgeht, dass Unheimliches dann auftrete, wenn etwas „nicht ‚heimisch‘ ist“ (Jentsch 1906, S. 196; s. o.). Es ist eben diese eindeutige Entgegensetzung von unheimlich versus heimlich im Sinne von heimelig, heimisch, vertraut, welche Freud mit dem Hinweis auf das mögliche Zusammenfallen der Bedeutungen der Worte heimlich und unheimlich um den Aspekt der Ambivalenz ergänzt: „Also heimlich ist ein Wort, das seine Bedeutung nach einer Ambivalenz hin entwickelt, bis es endlich mit seinem Gegensatz unheimlich zusammenfällt. Unheimlich ist irgendwie eine Art von heimlich.“ (Freud 1919h, S. 237)
Das hier thematisierte Ineinanderfallen der Bedeutungen eines Begriffspaares, welches in der Regel als Gegensatz firmiert, lässt auch an den Traum denken. Im Traum – so hält Freud in seinem Text „Über den Gegensinn der Urworte“ (Freud 1910e) fest – werden Gegensätze „mit besonderer Vorliebe zu einer Einheit zusammengezogen“ (Freud 1910e, S. 214). Und so erweist sich der Traum in „Die Traumdeutung“ (Freud 1900a) auch als Heimat seltsamer Mischwesen, wie z. B. in dem als Onkeltraum bekannten Beispiel. Freud beschreibt diesen seinen Traum selbst als eine Mischform, als eine Zusammensetzung aus einem Gedanken und einem Bild. Der Gedanke lautet: „... Freund R. ist mein Onkel. – Ich empfinde große Zärtlichkeit für ihn.“ (Freud 1900a, S. 143). Das dazugehörige Bild wird folgendermaßen beschrieben: „Ich sehe sein Gesicht etwas verändert vor mir. Es ist wie in die Länge gezogen, ein gelber Bart, der es umrahmt, ist besonders deutlich hervorgehoben.“ (Freud 1900a, S. 143). Freuds Assoziationen zu dem Traum ist u. a. zu entnehmen, dass das im Traum erschienene Gesicht ihn an das seines Onkels Josef erinnere, dessen einzige Gemeinsamkeit mit seinem Freund R. ein gelblicher Bart sei. Mit Onkel Josef, so schreibt Freud, „war's allerdings eine traurige Geschichte“ (Freud 1900a, S. 143). Dieser war straffällig geworden, was Freuds Vater großen Kummer bereitet hatte. Der Vater, so lässt sich Freuds Ausführungen entnehmen, sagte über seinen Bruder, dieser sei kein schlechter Mensch, wohl aber ein Schwachkopf gewesen. Freud kommentiert: „Wenn also Freund R. mein Onkel Josef ist, so will ich damit sagen: R. ist ein Schwachkopf. Kaum glaublich und sehr unangenehm!“ (Freud 1900a, S. 143), denn Freund R. sei ihm seit Jahren „lieb und teuer“ (Freud 1900a, S. 143).
Ohne jetzt näher auf Freuds verzweigte Deutung seines Traums einzugehen, ist für unseren Zusammenhang der folgende Aspekt entscheidend: Die große Zärtlichkeit, die Freud im Traum für Freund R. empfindet, sei im Zusammenspiel von Wort und Gedanke mit seinem Gegensatz, nämlich der Schmähung durch den im Barte dargestellten Vergleich mit dem Onkel verbunden. Das auf diese Weise erfolgte Ineinanderschieben von Zärtlichkeit und Schmähung illustriert Freud anhand einer fotografischen Technik, nämlich der sogenannten Mischfotografie, wie sie von Francis Galton angewendet wurde. „Das Gesicht, das ich im Traum sehe, ist gleichzeitig das meines Freundes R. und das meines Onkels. Es ist wie eine Mischphotographie von Galton, der, um Familienähnlichkeiten zu eruieren, mehrere Gesichter auf die nämliche Platte photographieren ließ. Es ist also kein Zweifel möglich, ich meine wirklich, daß Freund R. ein Schwachkopf ist – wie mein Onkel Josef.“ (Freud 1900a, S. 144)
Galton verfolgte mit der Mischfotografie im Übrigen ein rassistisches Ziel. Als Verfechter bestimmter eugenischer Auffassungen stellte er die Mischfotografie in den Dienst der Idee einer Vergrößerung des Pools als positiv geltender menschlicher Erbanlagen. Das Ziel sollte sein, durch Zuchtmaßnahmen Nicht-Weiße letztlich zu eliminieren. Die Mischfotografie sollte dabei gewisse Annahmen in diesem Zusammenhang verifizieren. Hierfür wurden von Galton fotografische Platten mit übereinander gelagerten Einzelporträts mehrerer Personen belichtet. Durch die Überlagerung treten verstärkt gemeinsame Züge der ausgewählten Personen visuell hervor (vgl. Abb. 1). Als Resultate ergeben sich leicht verschwommene, etwas geisterhaft anmutende Bilder.
Abbildung 1: Francis Galton „Composite-Fotografie“.
Galton war überzeugt, auf dieserart Fotografien Typen zu erblicken, an denen die durchschnittlichen Züge einer bestimmten Personengruppe (z. B. von Verbrechern) hervortreten.
Die Perspektiven von Galton und Freud auf diese technische Verfahrensweise sind fundamental verschieden: Während Galton davon ausgeht, dass an einem gemeinsamen Detail (wie etwa der Bart eines darstellen kann) ein eindeutiger Zug als Verallgemeinerbares, Gemeines (in seinem Sinne ‚rassischer Minderwertigkeit‘, Verbrecherischem) eines Typus hervortrete, sieht Freud hier ansonsten verborgene Mischungen von Regungen in Erscheinung treten – somit Regungen eines spezifischen Subjekts (in diesem Fall: ihm selbst) und nicht verallgemeinerbare Eigenschaften des abgebildeten Objekts.
Im Mischgebilde des Traumes inszeniert sich Freuds Deutung zufolge eine unbewusste Verstimmung dem Freund gegenüber, die nicht mit der im Wachbewusstsein dominierenden Gunst übereinstimmt – im Traum treten beide in Form des Nebeneinander von Bild und Gedanken auf.
Lilli Gast macht darauf aufmerksam, dass dieses für den Traum typische Ineinanderfallen von Gegensätzlichem von Freud auch in das „definitorische Zentrum“ (Gast 2011, S. 351) des Unheimlichen gesetzt wird. Hält Freud fest, „das Unheimliche sei etwas, was im Verborgenen hätte bleiben sollen und hervorgetreten ist“ (Freud 1919h, S. 254), so erscheint aus dieser von Gast vorgeschlagenen Perspektive Ambivalenz als dasjenige, was als sonst Verborgenes im Unheimlichen zutage tritt.2
Jentsch im Unterschied dazu führt, wie ich skizziert habe, die unheimliche Wirkung geradewegs auf ein Verborgen-Bleiben zurück – insofern nämlich ihm zufolge Unheimliches dann auftritt, wenn dem Intellekt etwas nicht einsichtig ist. Desbezüglich hält Freud fest: „Jentsch ist im ganzen bei dieser Beziehung des Unheimlichen zum Neuartigen, Nichtvertrauten, stehengeblieben. […] Das Unheimliche wäre [Jentsch zufolge, S. W.] eigentlich immer etwas, worin man sich sozusagen nicht auskennt.“ (Freud 1919h, 231).
Es ist demnach sowohl die Ambivalenz der Wortbedeutungen von heimlich, die Freud in seinem Text „Das Unheimliche“ gegen Jentschs Sichtweise einleitend in Anschlag bringt, als auch der Umstand, dass im Unheimlichen Verborgenes in Erscheinung tritt.
Die Vorsilbe Un- ist, so Freud, „die Marke der Verdrängung“ (Freud 1919h, S. 259). Damit hängt zusammen, dass in Freuds Konzeption – im Unterschied zur Jentschen – das Unheimliche gerade nicht das Nicht-Heimliche meint. Die Vorsilbe Un- teilen die Begriffe des Unheimlichen und des Unbewussten. Eine der „besonderen Eigenschaften“ des System Ubw ist Freud zufolge, dass es in diesem „keine Negation“ (Freud 1915e, S. 285) gibt. Diese spezifische Modalität bringt Gast zufolge Unheimliches zur Geltung. Das Unheimliche lässt sich demnach verstehen als eine Zone, in der sich dieses für das Unbewusste spezifische Entzogensein definitorischer, auf Entgegensetzungen stützender Grenzziehungen inszeniert. Der Bereich des Unheimlichen lässt sich charakterisieren als „intermediärer Raum zwischen Sowohl-als-auch und Weder-noch“ (Gast 2011, S. 351). Hier tritt das Unbewusste in Form einer fehlenden Stütze der Repräsentationen, eines möglichen Einsturzes von Sinn und Bedeutung hervor. Es ist diese spezifische Form, die für das Unheimliche entscheidend ist – die Form also, in der sich hier (in jeweils spezifischer Gestalt jeweiliger konkreter Phänomene) eine ‚Wiederkehr des Verdrängten‘ vollzieht.3 „Das Unheimliche kann als eine spezifische Form oder als eine spezifische Wirkung gefasst werden, in die hinein die ubiquitäre Ambivalenz des Seelenlebens diffundiert, in die hinein sie sich verlieren kann. Oder in der Umkehrung: Das Unheimliche scheint der ambivalenten Verfasstheit, der inneren Textur der Ambivalenz auf unvordenkliche Weise zu eignen“ (Gast 2011, S. 351). Die „Semantik der Vorsilbe ‚Un-‘“ ist, so schreibt Lilli Gast, dabei (im Lacanschen Sinne) auch als „Platzhalterin des Fehlens“ zu verstehen, als eine „Signatur der Kluft“ (Gast 2011, S. 352). Dieserart Hervorkehrungen von Einbrüchen sei „das Nichtrepräsentierte und vor allem das Nichtrepräsentierbare eingeschrieben“ (Gast 2011, S. 352) Es sei eben „diese unabschließbare, infinite Uneindeutigkeit der Ambivalenz, die die Logik des Unheimlichen determiniert und dessen ästhetisches Prinzip formiert, strukturiert und inszeniert“ (Gast 2011, S. 351).
Im Folgenden gehe ich diesem ästhetischen Prinzip des Unheimlichen als spezifischer Erscheinungsform des Unbewussten im Bereich der Kulturindustrie nach. Ich werde anhand von Beispielen meine These darstellen, dass das ästhetische Prinzip des Unheimlichen ein zentrales Medium unbewusster Dynamiken in der Kulturindustrie darstellt und dass in dem für diesen charakteristischen Erfahrungsmodus eines Dazwischen Unbewusstes und Gesellschaftliches in einer spezifischen Weise zusammenschießen (vgl. Witte 2018). Vorab möchte ich einige in diesem Zusammenhang relevante Annahmen stichpunktartig skizzieren, die meiner Verwendung des Begriffs Kulturindustrie zugrunde liegen.
3. Kulturindustrie
3.1. Theoretische Hintergründe
Um die Kulturindustrie als „Gegenstand der Wissenschaften“ ist es „still geworden“ (Gebur 2002/2003, S. 403). Dies hat sicherlich auch damit zu tun, dass sich die gegenwärtige Rezeption der Kritischen Theorie erster Generation – und zwar sowohl in positiven Bezugnahmen wie in negativen Abgrenzungen –, insbesondere was den Begriff der Kulturindustrie angeht, häufig in bemerkenswert verhärteten und repetitiven Bahnen bewegt, auf denen sich bestimmte Tickets (vgl. Ritsert 2014) hartnäckig halten. Eines dieser Tickets basiert auf der Annahme, Adorno vertrete eine kulturpessimistische Position, insofern er die „Kulturindustrie als Motor der Entsubjektivierung“ (Gebur 2002/2003, S. 403) verstehe und kulturelle Mechanismen einer ‚totalen Integration‘ der Subjekte beschreibe im Sinne einer Anpassungsleistung an gesellschaftliche Verhältnisse.
Wird in dieser gängigen Rezeptionsweisen (z. B. Rosa 2019, Jacke 2015, Hepp 2011) mit dem Begriff ‚total‘ bzw. ‚Totalität‘ eine reibungslose „Angleichung der Menschen an die Technik des Marktes und die Technik überhaupt“ (Schwering 2006, S. 359) assoziiert, so wird m. E. von dieser Lesart unterschlagen, dass Adornos Formulierungen einer totalen Integration der Subjekte in gesellschaftliche Mechanismen das Ergebnis in sich konflikthafter und widersprüchlicher Prozesse beschreiben. Kulturpessimistische Lesarten deuten Adornos Theorie nicht als Kritische, sondern als kulturkonservative Theorie (vgl. dazu z. B. Lindner 1983, S. 368) – womit auch bezüglich Fragen spätkapitalistischer Subjektivierung und kulturindustrieller Wirkungsmechanismen die für die Kritische Theorie zentrale Einbeziehung Marxscher Ökonomiekritik und Freud‘scher Psychoanalyse in ihrer Produktivität vernachlässigt und damit deren spezifisches kritisches Potential für Einsichten in aktuelle Phänomene verschenkt wird.4
Zielt Adorno mit dem Begriff der Kulturindustrie auf die Frage, in welcher spezifischen Weise sich die gegenwärtige kapitalistische Organisation der Gesellschaft im Bereich der Kultur geltend macht, so ist damit die Annahme verbunden, dass kulturindustrielle Vergesellschaftung der Subjekt dem Prinzip einer „Integration des gleichwohl weiter Nichtintegrierten“ (Adorno 1959, S. 103) folgt. Im Anschluss an diese Annahme verstehe ich kulturindustrielle Dynamiken als Übersetzungsprozesse, in denen Ökonomisches (welches selbst in sich nicht linear oder widerspruchsfrei verfasst ist) sich auf konflikthafte Weise im Bereich der Kultur sedimentiert – und zwar auf der Ebene der ästhetisch-medialen Inszenierungen wie in deren Rezeption.
Diese Perspektive impliziert ein bestimmtes Verständnis von Kritik, welches sich von den kulturpessimistischen Lesarten von Kritischer Theorie als Anpassungstheorie fundamental unterscheidet. Relevant ist in diesem Zusammenhang etwa Adornos Bezugnahme auf Benjamins Formulierungen materialistischer Gesellschaftskritik als rettender Kritik im „Passagenwerk“. Als ersten Grundsatz des historischen Materialismus notiert Benjamin im Konvolut N: „Gegenstand der Geschichte ist dasjenige, an dem die Erkenntnis als dessen Rettung vollzogen wird.“ (Benjamin 1983, S. 595 f.) Diese Rettung ist nahezu das Gegenteil einer Feststellung des Vollzugs des Identitätszwangs. „Der geringste Rest von Nichtidentität genügte, die Identität, total ihrem Begriff nach, zu dementieren.“ (Adorno 1966a, S. 33) Kritik bewegt sich somit in einem Spannungsverhältnis: Der Gegenstand von Adornos Kritik ist das Identitätsprinzip, auf dem das kapitalistischen Tauschverhältnis basiert, doch Kritik versteht sich nicht als identisch mit ihrem Gegenstand. Wie Kirchhoff unterstreicht, steht die Kritische Theorie Adornos ebenso wie die Psychoanalyse „für jene Lücken“ ein, „die negativ darauf verweisen, dass Freiheit möglich ist“ (Kirchhoff 2011/2012, S. 1; vgl. Adorno 1966a, S. 41). Kritik bewegt sich demnach zwischen dem „Gedanken der Totalität – des totalen Scheins, der totalen Integration –“ (Djassemy 2002, S. 42) und der Ausrichtung auf die Deutung dessen, was im gesellschaftlichen Gefüge (zu dem die Subjekte gehören) nicht aufgeht.
Kapitalismus fasst Adorno anschließend an Marx als eine historisch spezifische Produktionsweise auf, mit der sich der gesellschaftliche Zusammenhang auf dem Umstand gründet, „daß alle dem Tauschgesetz sich unterwerfen müssen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen, gleichgültig, ob sie subjektiv von einem ‚Profitmotiv‘ geleitet werden oder nicht“ (Adorno 1965, S. 14). Als Subjekte des Warentausches sind die Einzelnen zugleich Objekte des gesellschaftlichen Wertverhältnisses (gleichbedeutend mit Kapital).5 Wobei dem Marxschen Verständnis zufolge der „Wertbegriff […] kein Oberbegriff“ ist und auch keine „Meta-Form, die das Besondere unter sich subsumiert“ (Bonefeld 2004, S. 130). „Subjektiv ist Gesellschaft, weil sie auf die Menschen zurückweist, die sie bilden, und auch ihre Organisationsprinzipien auf subjektives Bewußtsein und dessen allgemeinste Abstraktionsform, die Logik, ein wesentlich Intersubjektives. Objektiv ist sie, weil auf Grund ihrer tragenden Struktur ihr die eigene Subjektivität nicht durchsichtig ist, weil sie kein Gesamtsubjekt hat und durch ihre Einrichtung dessen Instauration hintertreibt.“ (Adorno 1969a, S. 316). Hieraus ergibt sich eine für Adorno wesentliche Konsequenz bezüglich der Verstehensgrenze, die der Kritik gesetzt und von dieser zu reflektieren sei: Gesellschaft ist „verstehbar und unverstehbar in eins“ (Adorno 1969a, S. 295). Verstehbar insofern, als der Sachverhalt des Tausch stets einen „subjektiven Akt impliziert“ (Adorno 1969a, S. 295), in dessen Zwecksetzung das Subjekt sich wiedererkennen könne. Doch als verselbständigtes sei die Setzung des gesellschaftskonstitutiven Prinzips der Wertakkumulation wiederum zugleich nicht verstehbar. Dessen „Objektivität als Unveränderlichkeit“ (Adorno 1969a, S. 295) entferne sich „durch ihre Dynamik immer weiter von dem Modell der logischen Vernunft“ (Adorno 1969a, S. 295). Verstehbar sei „einzig das Gesetz von Verselbständigung“ (Adorno 1969a, S. 296). Das „Gesetz der Verselbständigung“ ist, wie Reichelt formuliert, „ein konstitutives Moment an Unbewußtheit, das den gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß bestimmt“ und stellt den „eigentliche[n] Gegenstand dialektischer Kritik“ dar (Reichelt 2001, S. 2).6
Dies gilt auch für den Gegenstand der kulturkritischen Schriften Adornos. Steinert zufolge bezeichnet Kulturindustrie eine „Dimension von Vergesellschaftung“ (Steinert 2008, S. 9) und in diesem Sinne „mehr als eine bestimmte Produktions- und Vertriebsform bestimmter – eben kultureller – Waren und Dienste“ (Steinert 2008, S. 9).7 Ist die Warenförmigkeit aus dieser marxistischen Perspektive zweifellos die zentrale Bestimmung der Kulturindustrie (vgl. Steinert 2008), so ist damit jedoch zugleich nichts für die Kulturindustrie Spezifisches erfasst. Relevant ist vielmehr die Annahme, dass sich im Bereich der Bereich der Kulturindustrie „der Tauschwert auf besondere Weise“ (Adorno 1938, S. 25 [Herv. d. Verf.]) durchsetzt.
Ich möchte mich jetzt wieder dem Unheimlichen zuwenden, um eine dieser besonderen Weisen an einigen Beispielen zu erkunden. Als Grundlage dient mit hierfür eine Passage aus einem Text, der – im Unterschied etwa zum prominenten Abschnitt „Kulturindustrie“ aus der von Adorno gemeinsam mit Max Horkheimer verfassten „Dialektik der Aufklärung“ (Adorno 1947) – eher wenig rezipiert wird: „Komposition für den Film“ (Adorno 1969b). Bei dieser – in Zusammenarbeit mit Eisler entstandenen – Auseinandersetzung mit Fragen der Filmmusik handelt es sich um eine Art Fallstudie, in der in einem Abschnitt höchst aufschlussreiche Anmerkungen zu unheimlichen Effekten des Kinofilms zu finden sind.
3.2. „Komposition für den Film“: Der Tonfilm und die gesellschaftlich Tendenzen zur Amalgamierung der Kulturgüter
In ihrer Einleitung zu „Komposition für den Film“ verdeutlichen Adorno und Eisler den Leser:innen ihre grundsätzliche Betrachtungsweise: Der Kinofilm gilt ihnen als eine Art Miniaturmodell für kulturindustrielle Prozesse, als „das charakteristischste Medium der gegenwärtigen Massenkultur“ (Adorno 1969b, S. 11).8 Begründet wird diese Einschätzung in folgender, für den gesamten Text zentralen Annahme: „Die Entwicklung seiner [des Kinofilms; S. W.] technischen Elemente als solcher, Bild, Wort und Ton, Manuskript, schauspielerische Darstellung und Fotografie, ist gleichsinnig verlaufen mit der Entwicklung gewisser gesellschaftlicher Tendenzen zur Amalgamierung der zu Waren gewordenen traditionellen Kulturgüter“ (Adorno 1969b, S. 12). Im Vergleich zu anderen massenkulturellen Medien zeige der Film „die Amalgamierungstendenz am deutlichsten“, insofern hier die Zusammenführung „verschiedenster Elemente“ sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht am umfassendsten sei (Adorno 1969b, S. 12).
Die Formulierung an dieser Stelle, die Entwicklung der filmischen Technik sei gleichsinnig verlaufen mit einem gesellschaftlichen Prozess der Amalgamierung, verweist auf die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie, in deren Zentrum die Warenform steht. Der erste Satz im ersten Band von „Das Kapital“ lautet: „Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ‚ungeheure Warensammlung‘, die einzelne Ware als seine Elementarform.“ (Marx 1867, S. 49 [Herv. d. Verf.]) Die kapitalistische Wertanhäufung erscheint somit als etwas Ungeheuerliches, als eine Ansammlung von Einzeldingen, die ihrer grundsätzlichen Form nach etwas gemein haben. Marx spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „gespenstischen Gegenständlichkeit“ (Marx 1867, S. 52) der einzelnen Ware – es geht in diesem Zusammenhang um den prominenten Begriff des Warenfetischs. Mit diesem Begriff versucht Marx dem Geheimnis der Erscheinung des Reichtums als Ansammlung von Waren auf die Spur zu kommen. Bekanntlich begibt er sich dabei auf die Spur gängiger politisch ökonomischer Theorien seiner Zeit (z. B. von Adam Smith oder David Ricardo) – weswegen die Kapitalbände den Untertitel „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ tragen. Eine zentrale Frage in der damaligen Politökonome lautet: Wie lässt sich letztlich erklären, dass unterschiedliche Gebrauchswerte (die den konkreten Dingen, wie z. B. einem Buch und einer Tasse, in ihrer Verwendung zukommen können) auf dem Markt als Gleiches, in Gestalt ihres Tauschwertes erscheinen und gehandelt werden können? Während bürgerliche Ökonomen wie z. B. Smith als Grund hierfür eine Sedimentierung von verausgabter Arbeit der Individuen im Wert eines einzelnen Produkts sehen, welcher als Grundlage des auf dem Markt gehandelten Preises dient, sieht Marx gerade in dieser Annahme gewissermaßen ein Symptom (im Sinne einer Erscheinungsform) des gesamtgesellschaftlichen Produktionsprozesses. Die Dinge treten, so lautet Marx Auffassung knapp gefasst, als einzelne, veräußerbare Waren auf dem Markt und als Produkte individueller Arbeit auf, weil die Arbeiten der Einzelnen als wertproduzierende vorab (des Marktes) aufeinander als gesellschaftliches Verhältnis (in der Produktion) bezogen sind (dieser Hergang verschwindet in der Erscheinungsform). Der Reichtum erscheint in der Elementarform der Ware, diese Erscheinungsform jedoch ‚verschluckt‘ gewissermaßen deren Genese aus dem Verhältnis, in das die Verausgabung der Arbeitskraft als wertschöpfender gesetzt sind. Diese fetischistische Erscheinungsform, in ihrer Einheit aus Gebrauchs- und Tauschwert, ist Marx zufolge das Ergebnis der kapitalistischen Produktionsweise, welche das Wertverhältnis nicht nur der Dinge, sondern auch der praktischen Tätigkeit (der Arbeit) als gesellschaftliche Beziehung der Individuen untereinander voraussetzt. Dieses Wertverhältnis bezeichnet Marx als Kapital – als „sich selbst verwertender Wert“ (Marx 1867, S. 209), welcher sich durch die einzelnen Ware als Einheit der Zwieschlächtigkeit von Gebrauchs- und Tauschwert realisiert und dabei (den in der Produktion potentiell generierten) Mehrwert umsetzt, aus dem Profit entspringt. Es ist dies der grundlegende Einsatz der Marxschen Kritik an gängigen ökonomischen Erklärungsmodellen seiner Zeit: Sein Verfahren erschöpft sich nicht darin, seine bürgerlichen (und auch anarchistischen, wie etwa Proudhon) Vorgänger in Sachen ökonomischer Theorie zu widerlegen, sondern es geht darum zu rekonstruieren, inwiefern bestimmte Annahmen von der Art und Weise, wie ökonomische Sachverhalte in Erscheinung treten, nahegelegt werden. Das Kapitalverhältnis, so lautet z. B. seine Kritik an Smiths Thesen einer unmittelbaren Sedimentierung von Wert via Verausgabung individueller Arbeitszeit, präsentiert sich in Form einer scheinbar natürlich gegebenen Einheit von Gebrauchs- und Tauschwert in Form der einzelnen Ware, erst in der historischen gesellschaftlichen Form des Kapitals aber lässt sich aufgrund der spezifischen Produktionsbedingungen aus der einzelnen Ware Mehrwert schöpfen. Diese Erscheinung, so könnte man sagen, dechiffriert Marx als heimlich-selbstverständliche, der aber zugleich etwas Ungeheuerliches, etwas Unheimliches zukommt – ein gesellschaftliches Verhältnis, welches diese Erscheinung der Wertgegenständlichkeit eine Einzeldings hervorbringt.
Eben hierauf ist Adornos und Eislers Formulierung Amalgamierung bezogen und ihr Anliegen ist es, der kulturellen Übersetzung dieses ökonomischen Prinzips auf kultureller Ebene am Leitmedium Kinofilm nachzugehen. Die – im Übrigen von Adorno an keiner weiteren Schrift wieder aufgegriffene – Formulierung der Amalgamierungstendenz bezeichnet die Zusammenführung unterschiedlicher ästhetischer Darstellungsverfahren im Medium Tonfilm. Voneinander historisch sich zunächst voneinander unabhängige Darstellungsverfahren – wie z. B. das Bild und Musik – treten hier, scheinbar problemlos und gleich den Waren ‚als Äquivalente‘, zusammen.9
Als ein einschlägiges zeitgenössisches Beispiel für eine bestimmte Praxis der Amalgamierung von Ton und Bild ziehen Adorno und Eisler experimentelle Arbeiten Oskar Fischingers aus den 1930er Jahren heran.
Fischinger spielt in seinen Filmen laut dieser Interpretation mit der Idee, dass es sich bei Musik und Bild um kompatible Elemente handelt. Die Wirkung der zur Musik tanzenden Figuren hat hier keine unheimliche, sondern vielmehr eine komische Note – auf die Nähe zwischen Unheimlichen und Komischem komme ich unten zurück.
Die Musik, so scheint es, spielt auf, lässt das Bild tanzen – oder lässt sich vom Bild bewegen, wird angestachelt vom visuellen Treiben. Zu sehen sind verschiedene, geometrische Figuren, zu hören ist Musik, wie sie auch heute noch im Zirkus oder auf einer Kirmes zu dieser Zeit zu hören hätte sein können. Adorno und Eisler attestieren solcherart Versuchen, Bild und Ton zu addieren, einen mageren ästhetischen Wert: „Selbst wenn jene Identität [zwischen Bild und Ton; S. W.] bestünde, und sie besteht nicht, […] bliebe immer noch die Frage, wozu sie gut sei – warum ein Medium nochmals das geben soll, was ein anderes […] ebenso gibt und was durch identische Wiederholung nichts gewinnt, sondern allenfalls verlieren könnte.“ (Adorno 1969b, S. 67) Dieses ästhetische Urteil ist für unseren Zusammenhang hier nebensächlich. Relevant ist vielmehr die Annahme, dass selbst wenn eine Identität von Bild und Ton angestrebt wird, diese nicht bruchlos herzustellen sei. Mit dem Rest, der sich nicht ins Amalgam fügt, dem verbleibenden Dazwischen, verbinden Adorno und Eisler nun in einer Randbemerkung eine mögliche unheimliche Wirkung des Mediums.
3.3. Unheimliches Kino
Das Unheimliche in der Beziehung zwischen Bild und Ton sehen Adorno und Eisler bereits zu Stummfilmzeiten am Werk. Stummfilm sei eigentlich eine irreführende Bezeichnung, denn seit den ersten Aufführungen seien die Kinofilme von Musik begleitet gewesen. Was im Vergleich zum Tonfilm dem Stummfilm ‚fehlte‘, so unterstreichen die Autoren, war die synchronisierte Sprache der Protagonist:innen auf der Leinwand, nicht Ton überhaupt.10
Und es sei zu vermuten, dass die Musik auch die Aufgabe gehabt hätte, eine unheimliche Wirkung der bewegten Bilder zu besänftigen: „Das reine Lichtspiel muß gespenstisch gewirkt haben, ähnlich wie das Schattenspiel [...]. Die ‘magische’ Funktion der Musik [...] muß darin bestanden haben, die bösen Geister in der unbewußten Wahrnehmung zu beschwichtigen. Die Musik wurde gleichsam als Gegengift gegen das Bild eingeführt.“ (Adorno 1969b, S. 116). Es ist dieser Beschreibung nach, als scheuchten die nicht-vertonten Bilder, die stummen Gestalten auf der Leinwand ungeheuerliche Objekte unbewusster Phantasien auf. Deren Wirkung sollte somit von der gängigen Begleitmusik in den Sälen der Stummfilmvorführungen abgemildert werden. Das Unheimliche führen Adorno und Eisler auf die durch die visuelle Präsenz der Gestalten bei gleichzeitiger akustischer Absenz des Gesprochenen hervorgerufenen Eindruck einer Gleichzeitigkeit von Totem und Lebendigem zurück, welche in Kontrast zu einem ‚eigentlich‘ erwarteten Wahrnehmungseindruck stehe: „Da der Film ursprünglich mit Jahrmarkt und Vergnügen […] verbunden war, hat man dem Zuschauer das Unangenehme ersparen wollen, daß die Abbilder lebendiger, agierender und gar redender Menschen vorgeführt werden, die doch zugleich stumm sind. Sie leben und leben zugleich nicht, das ist das Geisterhafte, und Musik will weniger ihr fehlendes Leben surrogieren […], als vielmehr die Angst beschwichtigen.“ (Adorno 1969b , S. 116 f.)
Die hier angenommene Abkunft der Kinovergnügen aus massenkultureller Populärkultur wie dem Jahrmarkt führt zu der Vermutung, dass der mit der medialen Übertragung visuellen Geschehens auf Leinwände verbundene ‚Verlust‘ der Synchronizität von Akustischem und Visuellem im Realraum (des Jahrmarktes z. B.) eine Irritation beim Publikum bewirkt haben musste. Das Sprechen der Personen ist zu sehen, aber das Gesprochene nicht – wie gewohnt – zu vernehmen. Adorno und Eisler verknüpfen hier redend mit lebendig, Stummheit mit tot. Der sich mit dem Anschein des Lebenden mischende gleichzeitige Anschein von Totem evoziere Unheimliches. Diese Figur erinnert an Jentschs Annahme, dass Unheimliches evoziert werde durch einen „Zweifel an der Beseelung eines anscheinend lebendigen Wesens“ (Jentsch 1906, S. 197; s. o.).
In einer Fußnote fügen die Autoren noch einen weiteren Gedanken hinzu. Mit diesem Gedanken wird diese Jentschsche Gedankenfigur um eine Freud‘sche erweitert. Und zwar insofern, als dass nicht der Zweifel an der Beseelung der Gestaltung als solche das Unheimliche evoziere, sondern dass dieser Zweifel mit einer Wiederkehr von Unbewusstem verbunden sei. Und zwar geht es hier um eine Wiederkehr einer Erfahrung von Gesellschaft, welche sich in diese mediale Erfahrung ‚einmischt‘, gewissermaßen also interveniert.
In der besagten Fußnoten bringen Adorno und Eisler die Vermutung ein, dass die Funktion der Musik als Gegengift noch auf einer weiteren Ebene (als der ‚Übertönung‘ des Zweifels an der Beseeltheit) wirksam gewesen sein musste. Sie erinnern daran, dass zu Zeiten der ersten Stummfilmvorführungen die Projektoren noch nicht in einem separaten Raum, sondern im Publikumsraum platziert waren. Das Surren der Projektoren hätte, so spekulieren sie, Unbehagen erzeugt – nicht aber aufgrund ihrer Lautstärke an sich, sondern weil dieses Surren beim Publikum die gesellschaftliche Erfahrung der eigenen Mechanisierung und Entfremdung geweckt hätte. „Die in Rede stehende Erfahrung dürfte eher kollektiver als individueller Art sein und der Panik verwandt: das aufblitzende Bewußtsein, als unartikulierte Masse dem Mechanismus gegenüber ohnmächtig ausgeliefert zu sein. […] Im Grunde ist es die [Angst], daß[sic!] einem etwas passieren kann, auch wenn man 'viele' ist. Genau das heißt das Bewußtsein der eigenen Mechanisierung.“ (Adorno 1969b, S. 75). Dieserart Angst erinnert Adorno, so an anderer Stelle, an die „alte Kinderdrohung von der Fratze, die stehenbleibt, wenn die Uhr schlägt“ (Adorno 1942, S. 333 f.). Im Kino schwinge diese Drohung des Erstarrens nach, zugleich aber auch die Hoffnung darauf, dass „einmal dieser Bann gebrochen werde“ (Adorno 1942, S. 334). Was die Menschen in die Kinos treibe, sei vielleicht „am Ende solche tief verhohlene Erwartung“, im Kinosaal selbst aber „gehorchen sie“ und „assimilieren sich dem Toten“ (Adorno 1942, S. 334).
Musikbegleitung im Stummfilmkino involviert demnach eine Beschwörung derjenigen ‚inneren‘ Geister, welche von den geisterhaften Gestalten auf den Leinwänden aufgescheucht wurden. Der Grund für die Verstörung lässt sich demnach nicht allein auf die Wahrnehmung eines äußeren Gefahrensignals zurückführen, sondern auf „das uns von innen her ‚heim-suchende‘ Fremde“ (Gast 2011, S. 351), welches die sprechend-stummen Gestalten unheimlich umgibt und angesichts derer sich ein schockhaft-aufblitzendes Gewahrwerden von Ausgeliefert-Sein einstellen kann: „[I]m Angesicht der gestikulierenden Masken wurden die Menschen sich ihrer als eben solcher Wesen inne, als sich selbst Entfremdete. Sie sind nicht mehr fern vom Verstummen“ (Adorno 1969b, S. 75). Es ist im Unheimlichen, so Olaf Knellessen in anderem Zusammenhang, der „Schreck des Todes, der einem im Objekt begegnet“ (Knellessen 2011, S. 336). Im Zwischenraum von Ton und Bild taucht so gesehen auch eine Ahnung dessen auf, „wie sehr man selbst Roboter ist, wie sehr man selbst auch einer Mechanik unterliegt, einer Wiederholung der Ambivalenz, wie sie sich im Schreck des Zusammenfallens von Anziehung und Abstoßung überwältigend zeigt. Es ist der Schreck des Erkennens, Subjekt dieser Ambivalenz zu sein“ (Knellessen 2011, S. 337). Ausgehend von Adornos und Eislers Interpretation lassen sich die Leinwandgestalten in dieser Hinsicht also als Doppelgänger des Kinopublikums verstehen – gesellschaftliche Erfahrung der eigenen Mechanisierung blitzt auf im Moment des Wieder-Erkennens.
Dieses Motiv möchte ich im Folgenden in Form einer Bildergeschichte weiterverfolgen.
4. Bildergeschichten
4.1. Vom Fotomatonreparateur zur fabelhaften Welt der Amélie
Die im Folgenden erzählte Bildergeschichte nimmt ihren Anfang Ende der 1970er Jahre. Zu dieser Zeit sammelten die beiden Kunststudenten Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen um Fotofix-Automaten in Berliner U-Bahnhöfen herumliegende Passfotos, ordneten diese und filmten die Abfolge mit einer Super-8-Kamera ab.
Abbildung 2: Material für die Nachkriegszeit – Dokumente aus dem Fotomaton-Automaten (BRD 1979-81; Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen; Super-8; 25 Min.; gekürzte Fassung 9 Min.).
Fotofix-Automaten finden sich bis heute an Bahnhöfen oder auch an Drogerien. In die Fotokabinen, so beschreibt es Müller, können Menschen „hineingehen und sich auf den in der Höhe verstellbaren Hocker setzen. Im Fotofix-Automaten schauen sie auf eine spiegelnde Glasscheibe mit Markierungen, können ihren Kopf für das Foto in eine geeignete, zentrale Position bringen. Hinter der Scheibe befindet sich ein Blitzlichtgerät. Nach erfolgtem Geldeinwurf und anschließendem Knopfdruck werden die Menschen vom Automaten porträtiert. Viermal blitzt ein greller weißer Lichtflash auf, der an einen Stroboskopblitz erinnert.“ (Müller 2013, S. 51) Auf ihren Erkundungstouren durch West-Berlin sammelten die Müller und Utermöhlen „vollständige, zerrissene, zerknüllte Fotoporträts oder deren Fragmente“ (Müller 2013, S. 51; vgl. Abb. 2) – die Frage tauchte auf: Warum wurden diese entsorgt? „Manche werden vermutlich aufgrund technischer Mängel der Fotos zerstört, viele andere aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen. Hat dem oder der Porträtierten seine oder ihre eigene Haltung, Position oder der Gesichtsausdruck nicht gefallen?“ (Müller 2013, S. 51 f.) Und was ist auf den teils intakten, teils ‚gestörten‘ Bildern zu sehen? Nicht allein die Porträtierten, so lautet die Überlegung, die zu dem mit den Passbildern produzierten Film führte: „In jedem Selbstporträt steckt auch der Fotograf selbst. In der Interaktion zwischen Fotograf und Modell entsteht ein Porträt. Was ist aber, wenn der Fotograf eine Maschine ist? Steckt in diesen Porträts also auch die Persönlichkeit der Maschine?“ (Müller 2013, S. 52).
Nach Material für die Nachkriegszeit – Dokumente aus dem Fotomaton-Automaten realisierten Müller und Utermöhlen aus diesem Material weitere Filme – etwa die Variation Der Fotomatonreparateur (1983). In diesem zweiminütigen Film ist – im Unterschied zu den anderen – nur eine einzige Person vor den Rückwänden offenbar unterschiedlicher Fotofix-Kabinen zu sehen. Der Titel verrät: Es handelt sich um Testbilder eines Passbildautomaten-Mechanikers, der von Berufs wegen an der Funktionstüchtigkeit bzw. -untüchtigkeit des Apparats interessiert ist. Informationen hierüber liest er den Passfotos von sich ab, die er hernach zurücklässt.
Abbildung 3: Der Fotomatonreparateur (BRD 1982; Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen; Super-8; 2 Min.).
Durch das Abfilmen der Fotos mit der Super-8-Kamera entsteht eine Sequenz, die den Eindruck eines verlangsamten Daumenkinos erwecken kann – jedoch der eines beschädigten Daumenkinos, eines, bei dem einige Seiten fehlen oder unvollständig sind. Diese Unvollständigkeit verweist auf ein ‚intaktes Vorbild‘, die Konvention der kinematografischen Bewegungsillusion, zu der auch die eingangs erwähnten Flickerfilme eine Art Kommentar darstellen. Statt gleitender, vertonter Bilder des konventionellen Kinofilms sehen wir hier eine Abfolge von Bruchstücken, die teils Defekte aufweisen: Manchen Bildern fehlen Ecken, auf anderen ist kaum jemand zu sehen, viele sind verknittert, teils sind Ecken abgerissen (vgl. Abb. 3). Schlieren, dunkle oder helle Flecken zeugen von technischen Störungen des Automaten. Anders als beim konventionellen Kino-Apparat ‚verschwindet‘ dieser nicht in der Schau, sondern hat in Form manifestierter Störungen der Fotos Spuren hinterlassen. Ebenso wie die Flickerfilme lässt sich dieses Projekt als eine kritische Offenlegung der Bedingungen der Bewegungsillusion des populärkulturellen Kinos verstehen. Die Bewegungsillusion, wie ich einleitend erwähnt habe, entsteht auf Grundlage der Frequenz der projizierten Einzelbilder, eine Verminderung der Frequenz lässt das – sowohl für den Flickerfilm als auch für Super-8-Projektionen und überdies das Stummfilmkino typische – Flackern entstehen.
Es handelt sich bei den Filmen aus den Fotofix-Bildern um ein erklärtermaßen subkulturelles Projekt, welches die Codizes des Mainstreams unterlaufen soll. Wenig später gründeten Müller und Utermöhlen mit weitere Künstler:innen die Gruppe „Die Tödliche Doris“, zu deren zentraler Verfahrensweise auch weiterhin der gezielte Einsatz von Störungen zählte.
Flackerlicht bleibt fortan ein zentrales Element – mehr noch, aus diesem selbst entsteht gewissermaßen die Kunstfigur Doris: „Der die Augen blendende Blitz des Fotofix-Automaten ähnelt dem Flash eines Stroboskops. Die Tödliche Doris untersucht vor Ort, auf der Bühne, ob es möglich sein könnte, dass […] das Sehen durch den Einsatz bestimmter Störungen überhaupt erst wieder eine Gestalt […] erhält […]. In regelmäßigen zeitlichen Abständen sendet das Stroboskop Lichtblitze in den Raum. […] Es entstehen abgehackt erscheinende Bewegungen, bestehend aus einer Abfolge von Bildern. Durch den Rhythmus des Lichtes verschwindet ein fließender Bewegungsablauf. Die Tödliche Doris ist abwesende Präsenz. Doris erscheint durch die permanente Abwesenheit ihres Körpers.“ (Müller 2013, S. 59 f.) Doris ist dieser Beschreibung nach ein Phantom. Dementsprechend wird auch betont, dass die Gestalt der Doris auch „den Bandgründern unbekannt“ sei – ebenso wenig wie das Publikum wüssten diese, ob Doris „ein Gespenst, ein Geist, ein Vampir, ein Messias, ein Hype, ein Flop, eine Künstlerin oder gar eine begabte Popmusikerin“ (Müller 2013, S. 56) sei. Als Band, Künstler:innen- und Aktionsgruppe trat „Die Tödliche Doris“ bis zu ihrer Auflösung 1987 in „immer wieder neue[n] Erscheinungsbilder[n]“ (Blume 2002, S. 177) auf und bewegte sich dabei zwischen Musik, Malerei, Fotografie, Performances, Video, Film, Installation und Literatur.
Rückblickend unterstreicht Müller, im Zuge der damaligen Welle von Kreativität, die vor allem im Umfeld von Kreuzberger Hausbesetzer:innen, Anarchist:innen, Ökos, Freaks, Punks, Lesben, Schwulen u. a. (vgl. Müller 2013, S. 28) ins Rollen kam, hätte nur eines nicht funktioniert (wenn man es denn überhaupt gewollt hätte), nämlich „diese Energie irgendwie zu bündeln und zu vermarkten“ (Müller 2002, S. 180).
Genau dies aber widerfährt zumindest einem Element der Fotofix-Arbeiten zwanzig Jahre später: Die Idee des Sammelns weggeworfener Fotofix-Automaten-Bilder taucht in einem Kassenschlager wieder auf. Wer die Filme von Müller und Utermöhlen aus den 1970er und 1980er Jahren gesehen hat, wird dieses Motiv im Kinohit Die fabelhafte Welt der Amélie aus dem Jahre 2001 wiedererkannt haben. Passfotos eines Reparateurs sind hier in eine Geschichte eingestrickt, die laut Kinowerbetext „die Seele umschmeichelt“ (zit. n. Kawan 2008, S. 149, Fn. 48).
4.1.1. Glückskeks
In Die fabelhafte Welt der Amélie (2001) des Starregisseurs Jean-Pierre Jeunet beginnt die Liebesgeschichte zwischen Amélie und Nino mit einem Album, in welches Nino die an Fotofix-Automaten zurückgelassenen Fotos sammelt. Eine Erzählerstimme, die den gesamten Film über kommentiert, erklärt dem Publikum aus dem Off: Seitenweise misslungene Passfotos, die von ihren enttäuschten Eigentümern zerknüllt, zerrissen und weggeworfen wurden und die ein komischer Kauz mit großer Sorgfalt wieder zusammengesetzt und gesammelt hatte, wie ein Familienalbum.
Abbildung 4: Die fabelhafte Welt der Amélie (F/D 2001; Regie: Jean-Pierre Jeunet; 122 Min.).
In einer Sequenz ist Amélie zu sehen, die beobachtet, wie Nino Fotos an einem Automaten Fotos aufliest, aufspringt und einem Mann hinterherjagt. Dabei verliert Nino das Album, Amélie hebt es auf und verliebt sich (ein pulsierendes Herz zeigt dies an) … in das Album, in Nino, in beide? Bilder ein und desselben Mannes finden sich öfter in dem ‚Familienalbum‘ (vgl. Abb. 4) – es handelt sich um denjenigen, den Nino anfänglich verfolgt – ein, wie sich später herausstellt, Passfotoautomatenreparateur.
Die Frage der Urheberschaft dieses Motivs konnte zumindest juristisch nie abschließend geklärt worden und somit blieb auch die nach dem genauen Hergang seiner Wiederkehr offen. Die Super-8-Filme von Müller und Utermöhlen wurden 1984 im Pariser „Musée d'Art Moderne“ gezeigt. Laut Müller haben damals nicht mehr als fünfhundert Personen die Arbeiten gesehen, es sei ihm ein Rätsel, „wie der Fotomatonreparateur nach so langer Zeit in einem französischen Kinofilm wieder auftauchen konnte“ (Der Tagesspiegel, 18.03.2003). Sind die Umstände der Wiederkehr dieses Einfalls ein ungelöstes Rätsel, so hat diese auch einen unheimlichen Zug – es scheint, als begegnete man in Die fabelhafte Welt der Amélie einem Doppelgänger der ursprünglichen Idee.
Vorstellungen verselbständigter Einfälle verweisen, wie Alenka Zupančič herausarbeitet, auf eine Nähe von Unheimlichem und Komischem. Bei beiden handelt es sich ihr zufolge um Phänomene, „die an entgegengesetzten Enden unserer emotionalen oder affektiven Reaktionen positioniert sind“, die aber „auf viel intimere Weise miteinander verknüpft sind, als man erwarten würde“ (Zupančič 2009, S. 55): Beide verbinden eine „Materialität des Gespenstischen“ und „die Produktion des ‚unmöglichen‘ (abtrennbaren und wieder anfügbaren) Objekts“ (Zupančič 2009, S. 58). Und hat die Vorstellung nicht tatsächlich etwas Komisches, dass der den Filmen von Müller und Utermöhlen zugrundeliegende ‚sinnreiche Einfall‘ „tatsächlich verloren und ‚davongehen‘ […] und, so stellt man sich vor, anderswo für Unruhe sorgen“ könnte (Zupančič 2009, S. 57)? Der Einfall erscheint „als abtrennbares, autonomes und selbst-ständiges Objekt“ (Zupančič 2009, S. 57), als etwas, das „alleine herumläuft“ (Zupančič 2009, S. 58) und auf rätselhaftem Wege in den Blockbuster gelangte. In völlig anderer ‚Umgebung‘, in einer ganz anderen Art und Weise der Verwendung kinematographischer Techniken kommt die Gestalt des Passfotoautomatenreparateurs wieder zum Vorschein.
Im Vergleich zu Die fabelhafte Welt der Amélie kann zunächst der reduzierte Charakter der Arbeiten von Müller und Utermöhlen auffallen. Von Jeunets Film aus gesehen, fehlt den Fotofilmfilmen einiges, z. B. eine Erzählung im klassischen Sinne, Musik, Sprache und konventionelle Bewegungsillusion. Wird in Film-Kritiken zu Jeunets Film häufig hervorgehoben, dass dieser in brillanter Weise auf der Gesamtklaviatur der verfügbaren Techniken gespielt habe, so erinnern Formulierungen in diesem Zusammenhang metaphorisch an den von Adorno und Eisler thematisierten Verschmelzungseffekt, auf den diesen zufolge die Amalgamierungstendenz ausgerichtet ist. Eines der wiederkehrenden Motive in den Rezensionen ist die Beschreibung des Films als einer verführerischen Süßspeise.
So heißt es etwa in Die Welt vom 15.8.2001: „Wovon erzählt wird, das ist überzogen mit dem rosa Marzipan der Nostalgie – aber wie davon erzählt wird, das ist Stand der Kunst, mit Tricks aus dem Computer, abrupten Schnitten, extremen Großaufnahmen und strategisch verstärkten Geräuschen“. Zu großer Popularität brachte es nicht zuletzt Yann Tiersens Filmmusik, die in der taz als „hochansteckende[s] Amalgam“ (taz, 10.12.2010) unterschiedlicher musikalischer Einflüsse bezeichnet wird. Fast, wie es in Die Zeit heißt, gelinge es dem Film, „durch seine Wucht, durch sein pausenlos hochtourig arbeitendes Fantasie-Füllhorn, durch seine All-you-can-eat-Ästhetik“ jegliche Kritik „verdampfen zu lassen“ (Die Zeit, 16.08.2001). Mit diesem Film, so andernorts, habe Jeunet einen „gigantische[n] Glückskeks“ (Der Spiegel, 16.08.2001) geschaffen, dem „eine glückhafte Verschmelzung von Widersprüchen“ (Die Welt, 15.08.2001) gelungen sei. Ein Keks, so ist auch zu lesen, in den die Idee der Verwendung der „zerstückelten, missglückten Fundstücke“ (Der Tagesspiegel, 18.03.2003) eingebacken wurde und der im Verzehr – so verspricht es der Kinowerbetext – „zur unwiderstehlichen Glücksdroge wird“ (zit. n. Kawan 2008, S. 149, Fn. 48). So gesehen transformiert die Weiterverarbeitung des Motivs der weggeschmissenen Automaten-Bilder in Die fabelhafte Welt der Amélie subkulturell Vorgeformtes in leichte, übersüße Mainstream-Kost – die Lücken zwischen Bildern scheinen ausgemalt und von einem beschwingten Ohrwurm-Soundtrack untermalt, die stroboskop-artigen Blitze sind abgeblendet, die Bilder der Stummen vertont.
4.1.2. Sprechende Bilder
Der Film erzählt aus dem Leben der Amélie Poulain, die als Kellnerin im Café des 2 Moulins arbeitet. Ihre Kindheit, so fügt die Erzählerstimme ein, verbrachte sie in einem Vorörtchen von Paris. Mangels elterlicher Liebe und sozialer Kontakte erschuf sie sich eine Phantasiewelt: Die Außenwelt erscheint Amélie so tot, dass sie lieber ihr Leben träumt, bis sie alt genug ist auszuziehen (00:08:58-00:09:03 Min.). Amélies Phantasie macht die Welt zu einer fabelhaften: Es sind die kleinen, alltäglichen Dinge des Lebens – z. B. Steinchen über das Wasser springen zu lassen –, die hier ihr Besonderes entfalten. Es ist aber auch eine einsame Welt – bis zu dem Tag, an dem Amélie in ihrer Pariser Wohnung ein verstecktes Schatzkästchen mit Kleinoden eines unbekannten Kindes findet. Amélie beschließt, wenn sie den Besitzer des Kästchens ausfindig machen und ihn damit glücklich machen kann, wird sie andere Menschen an ihrer Welt teilhaben lassen. Sie kann das Kästchen an seinen Besitzer Dominique Bretodeau übergeben und „[s]eitdem wirbelt sie als Elfe, kleine Fee und Kobold herum und ‚tut alles, um das Kuddelmuddel im Leben der anderen in Ordnung zu bringen‘“ (Kawan 2008, S. 151). Amélie mischt sich auf beglückende Weise in das Leben anderer. Ihr Freund, der alte und kranke Maler Raymond Dufayel, macht darauf aufmerksam, dass ihr zu ihrem eigenen Glück noch etwas fehlt: „Was ist mit ihr? Was mit dem Kuddelmuddel in ihrem Leben? Wer wird sich darum kümmern?“ (00:47:12-00:47:19 Min.) Diese Leerstelle wird durch Nino aufgefüllt werden.
Nach dem Fund des Albums hängt Amélie einen daraus entnommenen Bogen mit vier Passfotos an den Lenker von Ninos Mofa und versieht diesen mit einer Notiz, wo sie am nächsten Tag zu treffen sein wird – in der Geisterbahn auf dem Jahrmarkt. In der Nacht zuvor wird Nino von den Fotos, die er an seiner Nachttischlampe befestigt hatte, geweckt: Die vier Bilder eines Mannes mit Schnurrbart und Mütze beginnen zu sprechen (vgl. Abb. 5). Vierstimmig berichten sie, wie sie in Amélies Brusttasche transportiert wurden, zanken sich, ob Amélie schön oder eher hübsch sei. Auf Ninos Frage, was die Fremde von ihm wolle, veräppeln ihn die Bilder zunächst: Amélie sei auf einen Finderlohn für das Album aus, Amélie wolle das Bild gegen ein anderes von einem Einäugigen mit Brille tauschen. Dann kommt die entscheidende Botschaft: Sie ist verliebt. Nino ist verblüfft: Ich kenne sie doch gar nicht. Die Bilder antworten: Na klar kennst du sie! Nino wundert sich: Seit wann? Die Antwort lautet: Na immer schon. Aus deinen Träumen. (01:08:44-01:09:44 Min.) Finden Nino und Amélie letztlich zusammen, so ist dieses Happy End auch den sprechenden Bildern zu verdanken.
Abbildung 5: Die fabelhafte Welt der Amélie (F/D 2001; Regie: Jean-Pierre Jeunet; 122 Min.).
Die sprechenden Bilder führen das Grundprinzip des Films vor: die Vorführung einer Existenz von Fabelhaftem, Vergegenständlichungen von Phantastischem – und dazu gehören auch: Passbilder, die tatsächlich sprechen können.
Amélie zeigt das Album ihrem Freund Dufayel und sie rätseln gemeinsam über das Motiv des darin wiederholt auftauchenden Unbekannten, sich an allen möglichen Ecken der Stadt fotografieren zu lassen und die Fotos hernach wegzuwerfen. Amélie vermutet, es handele sich um einen Toten, der den Lebenden sein Gesicht in Erinnerung rufen möchte. Die Vermutung Amélies, es handele sich bei dem Reparateur um einen Toten, der Kontakt zu Lebenden sucht, ist für den Status der Bildwelt in Die fabelhafte Welt der Amélie signifikant: Die Bilder haben den Charakter von Phantomen, die von Wiesing als „Quasidinge“ (Wiesing 2006, S. 98) bezeichnet werden: „Phantome haben einerseits eine Realität, denn sonst könnte man nicht meinen, man würde sie sehen, und doch sind sie andererseits nicht real, sonst würde man sie eben für normale, wahrnehmbare und anwesende Gegenstände halten.“ (Wiesing 2006, S. 98) Die Qualität der lebenden Bilder aus dem Fotofix-Automaten lässt sich mit Wiesings Charakterisierung des Phantomcharakters als eine phantastische Präsenz von Seiendem plastisch fassen, die diesem zufolge im Unterschied zu Illusionen „immer etwas Unheimliches“ (Wiesing 2006, S. 100) an sich hat. In den Passbildern manifestiert sich aus meiner Sicht en miniature das Grundprinzip des gesamten Films: Dieser führt das Wunder materieller Existenzformen von Fabelhaftem vor.
Als Tonfilm können den Passfotos in Die fabelhafte Welt der Amélie Stimmen verliehen werden. Vor dem Hintergrund von Adornos und Eislers Anmerkungen könnte man nun zu dem Schluss kommen, dass mit dieser ‚Übertönung‘ des stummen Charakters der Bilder von lebendigen Menschen die Funktion der Musik als Gegengift nutzlos geworden sei. Verschwindet mit der Stummheit des Bildes auch die mögliche unheimliche Wirkung? Adorno und Eisler zumindest gehen nicht davon aus – vielmehr, so lautet der weitere Hergang ihrer Überlegungen, verschiebt sich mit der technischen Innovation des Tonfilms der Bereich des Unheimlichen. An der besänftigenden Funktion der Musik habe sich nämlich mit der technischen Realisierung des Tonfilms „weniger geändert [hat], als man denken möchte“ (Adorno 1969b, S. 75). Auch der „Sprechfilm ist stumm“ (Wiesing 2006, S. 76). Denn es sei „Grund zur Annahme, daß, je enger Wort und Bild verkoppelt werden, ihr Widerspruch und die Stummheit der anscheinend Redenden nur um so nachdrücklicher gefühlt wird“ (Wiesing 2006, S. 76). Gerade sprechende Bilder würden davon zeugen, dass die Personen „nicht redende Menschen, sondern redende Bilder, mit allen Kennzeichen des Bildlichen, der fotografischen Zweidimensionalität, der mangelnden Raumtiefe“ seien, deren Worte „in einer Weise aus dem körperlosen Mund“ kommen, „die jeden Unbefangenen beunruhigen muß“ (Wiesing 2006, S. 76). Und auf eben diese Weise sage „die Fremdheit der Medien […] die Wahrheit über eine sich selbst entfremdete Gesellschaft“ (Wiesing 2006, S. 74).
Die Amalgamierungstendenz als Übersetzung ökonomischer Warenlogik in kulturindustrielle Darstellungsverfahren involviert demnach eine widersprüchliche Dynamik in ihrer Wirkung auf das Publikum auf: Amalgamierung bezeichnet, wie ich oben dargestellt habe, die Tendenz, verschiedene Darstellungsverfahren, d. h. unterschiedliche mediale Repräsentationstechniken als Äquivalente (in dieser Weise also eine kulturindustrielle Manifestation des Tauschwertprinzips) zu verwenden. Doch die Zusammenführung des einen (z. B. Bild) mit dem anderen (z. B. Ton) vermag nicht restlos zu gelingen, es ergeben sich demnach Lücken. So heißt es: „Die fundamentalen Divergenzen von Wort und Bild werden vom Unbewußten des Betrachters registriert und die aufdringliche Einheit des Tonfilms […] als erschlichen und brüchig wahrgenommen“ (Wiesing 2006, S. 76). Je „blinder“ versucht werde, Ton und Bild zu verschmirgeln, desto „hoffnungsloser“ (Wiesing 2006, S. 133) klafften diese auseinander. Aus diesem Grund erfülle die Musik nach wie vor diesem Effekt gegenüber eine besänftigende Funktion. Im Zeichen der Amalgamierungstendenz ziele diese darauf, „eine menschlich vermittelnde Schicht zwischen die ablaufenden Fotografien und die Betrachter zu setzen“ (Wiesing 2006, S. 61). So halte die Musik zusammen, „was sonst beziehungslos sich gegenüberstünde“ (Wiesing 2006, S. 61): Ton und Bild, Film und Zuschauer:innen.
Mit der technischen Innovation des Tonfilms gehe eine Transformation der Gleichzeitigkeit von lebendigen und zugleich nicht-lebendigen, redenden und gleichwohl stummen Figuren einher: Die Bilder von sprechenden und gestikulierenden Menschen sind im Tonfilm nicht länger stumm, aber wenn sie sprechen, haftet ihnen demzufolge nun etwas Quasi-Stummes (mit Wiesing also Phantomhaftes) an. Wodurch – auf anderen Ebenen als im Stummfilm – dieser Doppelcharakter „die bösen Geister in der unbewußten Wahrnehmung“ (Wiesing 2006, S. 74; s. o.) wachrufen könnte, die auch darauf hinweisen, dass die Zuschauenden nicht restlos in das gesellschaftliche Ganze eingebunden sind. Versuche den Schrecken in Form einer Verschmirgelung von Ton und Bild zu besänftigen, transformiert dessen Anlass und lässt potentiell das Unheimliche unter den geänderten Vorzeichen des Tonfilms an anderen Stellen aufscheinen.11
5. Rückblick
Ich rekapituliere abschließend im Schnelldurchlauf: Ausgehend von einer Interpretation des Flickerfilms als in der Rezeption potentiell auch unheimlich erscheinender Mischung aus Technisch-Apparativem und Menschlichem habe ich im Vorangegangenen zunächst Aspekte von Jentschs und Freuds Theorien des Unheimlichen vergleichend vorgestellt. Anhand von Freuds Kritik an Jentschs Konzeption habe ich – Bezug nehmend auf Gast (2011) – den Aspekt der Ambivalenz in Freuds Theorie des Unheimlichen hervorgehoben: Dem Unheimlichen ist demnach in besonderer Weise Uneindeutiges eingeschrieben, welches auf Unbewusstes im Sinne eines Nichtrepräsentierbaren verweist. Das Unheimliche bewegt sich Gast zufolge in einem Raum des „Sowohl-als-auch und Weder-noch“ (Gast 2011, S. 351). Was demnach hier im Erleben in dieser besonderen Weise und in einer spezifischen ästhetischen Formation figuriert, verweist auf Entfremdung als Ursprung des Subjekts.
Dieser Gedanken habe ich zu einigen Annahmen Adornos bezüglich Funktionsweisen der Kulturindustrie in Beziehung gesetzt, hierfür zentrale Punkte von Adornos Marx-Rezeption angesprochen um mich von hieraus dem von Eisler und Adorno in der Schrift „Komposition für den Film“ (Adorno 1969) verwendeten Begriff der Amalgamierungstendenz zuzuwenden. Bezeichnet wird hiermit ein kulturindustrielles Bewegungsgesetzt, welches (zunächst auf technischer Ebene) die Zusammenführung verschiedener Elemente (Ton, Bild, Musik, Schauspiel etc.) bezeichnet. Man kann dieses als eine kulturelle Übersetzung des ökonomischen Äquivalenzprinzips verstehen. Am Beispiel des Kinofilms beschreiben Adorno und Eisler die Tendenz konventionellen Kinos, verschiedene ästhetische Darstellungsweise als Äquivalente miteinander zu verbinden. Für zentral halte ich in diesem Zusammenhang die Annahme, dass diese Amalgamierung nicht restlos funktioniert. Das Unheimliche wird in einer Randbemerkung von Adorno und Eisler mit den im Prozess der Amalgamierung abfallenden ‚Reste‘, mit entstehenden Brüchen in der Verschmirgelung von Elementen verknüpft. Diesen Gedanke habe ich anhand von Filmbeispielen versucht zu illustrieren.
Ebenso wie der Flickerfilm treten die Filmprojekte von Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen Material für die Nachkriegszeit – Dokumente aus dem Fotomaton-Automaten (BRD 1979-81) und Der Fotomatonreparateur (BRD 1982) als ästhetische Kritik dieserart konventionellen Verwendung des Tonfilms auf. Diese Filme präsentieren ostentativ brüchige Bilder. Deren Material (weggeworfene Passfotos, die um Fotofix-Automaten herumlagen) und das Motiv eines Passfotoautomtenreparateurs werden von dem Kinofilm Die fabelhafte Welt der Amélie adaptiert und in die Register des konventionellen Kinos überführt. In meiner Interpretation dieser Geschichte des Wieder-Auftauchens des Motivs der Passbilder eines Fotoautomatenreparateurs habe ich unheimliche Aspekte fokussiert und auf Adornos und Eislers Anmerkungen zu unheimlichen Effekten der Beziehung von Bild und Ton des Kinofilms bezogen.
In Die fabelhafte Welt der Amélie (2001) werden die Bilder zum Sprechen gebracht und führen zu einem glücklichen Ende: sie initiieren und helfen Amélie bei ihrer Suche nach ihrer Liebe Nino. Durch Pressestimmen zieht sich, wie ich anhand einer Auswahl gezeigt habe, das Motiv einer verführerischen Süßspeise durch. In der Tat ist die Bekömmlichkeit und scheinbar reibungslose Einpassung brüchiger Bilder in ein Mainstreamprodukt eine mögliche Perspektive, unter der man die Adaptation der obigen Filmprojekte betrachten kann. In meiner auf Unheimliches ausgerichteten Lesart schlage ich eine andere Perspektive vor: Das unheimliche Moment in der Kulturindustrie lässt sich als ein Bereich verstehen, in dem hervortreten kann, inwiefern „die wichtigsten, nämlich bedrohlichsten und darum verdrängten Momente der sozialen Realität in Psychologie, in das subjektive Unbewußte“ (Adorno 1966b, S. 91) eingehen. Kulturindustrie verstanden als Übersetzungsprozess involviert – dies lässt sich mit dem Begriff der Amalgamierungstendenz verbinden – Unübersetzbares der sozialen Realität als Fremdes, Nicht-Integrierbares (wie es am Verhältnis von Ton und Bild in Erscheinung treten kann), welches aus psychoanalytischer Sicht die „eigen[e] zerrissen[e] Verfassung“ (Knellessen, Passett, Schneider 2003, S. 91) der Subjekte als Uneinholbares betrifft. In unheimlichen Momenten der Kulturindustrie schießen, so meine These, Unbewusstes und Gesellschaftliches in einer spezifischen Weise zusammen. Es tritt somit im Unheimlichen kulturindustriell-medialer Darstellungsweisen mit in Erscheinung, dass „die sozialen Zwänge, denen wir unterliegen in einem so weiten Maße uns fremd und auswendig sind, daß wir sie gar nicht unmittelbar mit dem, was in uns und unserem werten Seelenleben vorgeht, identifizieren können“ (Adorno 1968, S. 195). Ist das Unheimliche der Kulturindustrie somit im Sinne der Kritischen Theorie zum Einen als symptomatische Erscheinungsweise des gegenüber den Subjekten verselbständigten Kapitalverhältnisses zu lesen, so weist es damit zugleich auch auf eine emanzipatorische Möglichkeit, die in unheimlichen Phänomenen aufscheint: „Die Integration von Bewußtsein und Freizeit ist offenbar doch noch nicht ganz gelungen“, worin „eine Chance von Mündigkeit sichtbar wird, die schließlich einmal zu ihrem Teil helfen könnte, daß Freizeit in Freiheit umspringt“ (Adorno 1969c, S. 655).
1 Jentsch hebt hervor, der hysterische Anfall berge im Vergleich zum epileptischen ein minder großes Verletzungsrisiko und die Art der Bewegung – im Unterschied zum Anschein der Verselbständigung beim epileptischen Anfall – erinnere „wieder an verborgene psychische Vorgänge […], insofern hier die Muskelunruhe einem gewissen höheren Ordnungsprinzip folgt, was mit der Abhängigkeit des Grundleidens von Vorstellungs- (also wieder psychischen) Vorgängen in Verbindung steht“ (Jentsch 1906, S. 184).
2 Während im alltagssprachlichen Gebrauch mit dem Begriff der Ambivalenz häufig eine Mehrdeutigkeit oder Vielfältigkeit von Bedeutung gemeint ist, verstehe ich unter Ambivalenz hier im engeren Sinne eine Zweiwertigkeit im Sinne einer Gleichzeitigkeit widersprüchlicher Tendenzen, wie sie z. B. von Jean Laplanche und Jean-Bertrand Pontalis im betreffenden Eintrag im „Vokabular der Psychoanalyse“ definiert ist: „Gleichzeitige Anwesenheit einander entgegengesetzter Strebungen, Haltungen und Gefühle, z.B. Liebe und Haß, in der Beziehung zu ein- und demselben Objekt“ (Laplanche u. Pontalis 1972, S. 55).
3 Anders als in der oben skizzierten Deutung des Onkeltraums (die auf den lebensgeschichtlichen Horizont des Subjekts und auf ambivalente Besetzungen eines Objekts bezogen ist) geht es hier um Ambivalenz als konstitutivem Organisationsprinzip des Unbewussten.
4 So behauptet etwa Kausch, Adorno habe in folgender Weise „eindeutig definiert“: „Die Kulturindustrie manipuliert“ (Kausch 1988, S. 85). Was ihm zufolge u. a. bedeutet: „Während die Kunst die Triebe sublimierte, unterdrückt sie die Kulturindustrie“ (Kausch 1988, S. 90) und so sei das Resultat „die Entmenschlichung des Menschen […] im Sinne Oswald Spenglers“ (Kausch 1988, S. 90). Nun schließt sich aber Adorno keineswegs Spenglers These vom Untergang der Kultur an, sondern kritisiert im Gegenteil Spenglers Denken u. a. für dessen ‚entmenschlichte Perspektive‘: „Wenn der Typus des passiv reagierenden Massenmenschen, den Spengler beschreibt, kausalitätslos auf der gleichen Ebene erscheint wie die Konzentration der Macht, die doch als Schlüsselkategorie des ‚Systems‘ und durchs System hindurch den Massenmenschen erst produziert und reproduziert, dann wird es möglich, gesellschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse aufs Schicksal und den Stundenschlag der Kulturphasen zu nivellieren und wohl gar dem ohnmächtigen Massenmenschen metaphysisch die Schmach aufzubürden, die ihm historisch von den Cäsaren angetan wird.“ (Adorno 1950, S. 59 f.)
5 Es ist für Adornos Adaption der Marxschen Kritik und deren Verknüpfung mit der Freud‘schen Psychoanalyse wesentlich, dass die gesellschaftliche Vermittlung nicht nach dem Modell einer unmittelbaren äußeren Formung und Einwirkung auf das Individuum gedacht wird, welche auf direktem Wege Anpassung bewirke. Dies verweist auf die grundlegende Konzeption des Verhältnisses von Subjekt und Gesellschaft in der Kritischen Theorie. Es werde, so Adorno, häufig übersehen, „daß nicht nur das Individuum, sondern schon die Kategorie der Individualität ein Produkt der Gesellschaft ist“ (Adorno 1952, S. 27). Individualität ist demnach nicht etwas der Gesellschaft Vorgängiges, sondern wie auch die einzelne Ware Erscheinungsform eines gesamtgesellschaftlichen Verhältnisses, ist demnach die ‚Grundform‘ des Subjekts als Individuum gesellschaftlich hervorgebracht. „So wenig Psychologie und Gesellschaft derart unmittelbar aufeinander einwirken, […] so wenig verläuft, was nach dem einen Prinzip sich entzweite, tatsächlich nun unabhängig voneinander.“ (Adorno 1952, S. 27). Das Individuum ist demnach „Entsprungenes“ (Adorno 1952, S. 27), dessen Mechanismen von „gesellschaftliche[n] Kräfte[n]“ durchwirkt sind (Adorno 1952, S. 27). So verkörpert das vereinzelte Individuum „im absoluten Gegensatz zur Gesellschaft deren innerstes Prinzip“ (Adorno 1955, S. 55).
6 Womit angesprochen ist, dass letztlich ‚die Gesellschaft‘ nicht zu verinnerlichen ist, dass sich Gesellschaftliches nicht unmittelbar in der Psychodynamik „bloß abbildet“ (Adorno 1955, S. 55) im Sinne einer reibungslosen Anpassung an die gesellschaftlichen Verhältnisse.
7 „Der Ausdruck Industrie ist […] nicht wörtlich zu nehmen. Er bezieht sich auf die Standardisierung der Sache selbst – etwa die jedem Kinobesucher geläufige der Western – und auf die Rationalisierung der Verbreitungstechniken, nicht aber streng auf den Produktionsvorgang.“ (Adorno 1963, S. 339).
8 Hiermit korrespondiert die in den Medienwissenschaften etablierte Einordnung des Kinofilms als Leitmedium bis zur Etablierung digitaler Medien.
9 Es sei an dieser Stelle unterstrichen, dass es Eisler und Adorno keineswegs um eine Verdammung des Mediums Tonfilm geht – im Gegenteil. Sie folgen der Frage, inwiefern aus diesem Niederschlag kapitalistischer Vergesellschaftung im Bereich kulturindustrieller Techniken ästhetischer Gewinn entstehen kann. Es kommt ihnen dabei u.a. auf die spezifischen Möglichkeiten der Verwendung von Musik, Sprache und Bild in ihrem Verhältnis an und erkunden diese an verschiedenen Beispielen. Es mag dabei – gerade angesichts dem im Kontext kulturpessimistischer Lesarten häufig Adorno unterstellten Kulturkonservatismus – vielleicht überraschen, dass Adorno und Eisler z. B. auch Strips von Walt Disney emanzipatorisches Potential attestieren.
10 Dies ist auch Gegenstand nachfolgender filmwissenschaftlicher Forschung. So hält etwa Armes fest: „In any case, to see early cinema as a ‚silent‘ medium and hence simply as the heir to still photography is a misconception. Music was always a vital accompaniment, even the Lumière’s first showings of the cinematographs in the 1890s. Sound systems were sought from the earliest days and what so-called silent cinema lacked was not sound, but merely synchronized speech.“ (Armes 1988, S. 10)
11 Eine Möglichkeit, wie sich diese Verschiebung im Fall von Die fabelhafte Welt der Amélie (2001) ästhetisch inszeniert, habe ich andernorts in einer Interpretation einer weiteren Sequenz aufgezeigt (vgl. Witte 2018, S. 332-335).
Literaturverzeichnis
Adorno, Theodor W. (2003 [1938]): „Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens“. In: Dissonanzen – Einleitung in die Musiksoziologie. Gesammelte Schriften. Bd. 14. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 14-50.
Adorno, Theodor W. (1997 [1942]): „Das Schema der Massenkultur“. In: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente [zusammen mit Max Horkheimer]. Gesammelte Schriften. Bd. 3. Frankfurt/M. : Suhrkamp, S. 299-335.
Adorno, Theodor W. (1997 [1947]): „Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug“. In: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente [zusammen mit Max Horkheimer]. Gesammelte Schriften. Bd. 3. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 141-191.
Adorno, Theodor W. (1997 [1950]): „Spengler nach dem Untergang“. In: Kulturkritik und Gesellschaft I. Gesammelte Schriften. Bd. 10.1. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 47-71.
Adorno, Theodor W. (1997 [1952]): „Die revidierte Psychoanalyse“. In: Soziologische Schriften I. Gesammelte Schriften. Bd. 8. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 20-41.
Adorno, Theodor W. (1997 [1955]): „Zum Verhältnis von Soziologie und Psychologie“. In: Soziologische Schriften I. Gesammelte Schriften. Bd. 8. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 42-85.
Adorno, Theodor W. (1997 [1959]): „Theorie der Halbbildung“. In: Soziologische Schriften I. Gesammelte Schriften. Bd. 8. Suhrkamp: Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 93-121.
Adorno, Theodor W. (1997 [1963]): „Résumé über Kulturindustrie“. In: Kulturkritik und Gesellschaft I. Gesammelte Schriften. Bd. 10.1. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 337-345.
Adorno, Theodor W. (1997 [1965]) „Gesellschaft“. In: Soziologische Schriften I. Gesammelte Schriften. Bd. 8. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 5-19.
Adorno, Theodor W. (1997 [1966a]): „Negative“. In: Gesammelte Schriften. Bd. 6. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Adorno, Theodor W. (1997 [1966b]): „Postscriptum“. In: Soziologische Schriften I. Gesammelte Schriften. Bd. 8. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 86-92.
Adorno, Theodor W. (1992 [1968]): Einleitung in die Soziologie. Nachgelassene Schriften Abteilung IV: Vorlesungen. Bd. 15. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Adorno, Theodor W. (1997 [1969a]): „Einleitung zum ‚Positivismusstreit in der deutschen Soziologie‘“. In: Soziologische Schriften I. Gesammelte Schriften. Bd. 8. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 280-353.
Adorno, Theodor W. (1997 [1969b]): „Komposition für den Film“. In: Ders. u. Eisler, Hans: Komposition für den Film. Der getreue Korrepetitor. Gesammelte Schriften. Bd. 15. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 8-157.
Adorno, Theodor W. (1997 [1969c]): „Freizeit“. In: Kulturkritik und Gesellschaft II. Gesammelte Schriften. Bd. 10.2. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 645-655.
Armes, Roy (1988): On Video. London/New York: Routledge.
Benjamin, Walter (1983 [1940]): Das Passagenwerk. In: Gesammelte Schriften. Bd. V.1 und V.2. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Blume, Eugen (2002): „‘Die Tödliche Doris‘“-Kunst. In: Eugen Blume, Hubertus Gaßner, Eckhart Gillen u. Hans-Werner Schmidt (Hg.): Klopfzeichen. Kunst und Kultur der 80er Jahre in Deutschland – Wahnzimmer. Leipzig: Faber & Faber, S. 177-180.
Blümlinger, Christa (2006): „Illusion, Schaulust und Avantgarde“. In: Gertrud Koch u. Christiane Voss (Hg.): ... kraft der Illusion. München: Wilhelm Fink Verlag, S. 121-138.
Bonefeld, Werner (2004): „Bemerkungen zur Kritik der Voraussetzungen“. In: Christine Kirchhoff, Lars Meyer, Hanno Pahl et al. (Hg.): Gesellschaft als Verkehrung – Perspektiven einer neuen Marx-Lektüre. Freiburg: ça-ira Verlag, S. 123-148.
Djassemy, Irina (2002): Der „Productivgehalt kritischer Zerstörerarbeit“. Kulturkritik bei Karl Kraus und Theodor W. Adorno. Würzburg: Könighauser & Neumann.
Freud, Sigmund (1999 (1900a]): Die Traumdeutung. In: Gesammelte Werke II/III, Frankfurt/M.: Fischer Verlag.
Freud, Sigmund (1999 [1910e]): „Über den Gegensinn der Urworte“. In: Gesammelte Werke VIII, Frankfurt/M.: Fischer Verlag, S. 213-221.
Freud, Sigmund (1999 [1915e]): „Das Unbewusste“. In: Gesammelte Werke X, Frankfurt/M.: Fischer Verlag, S. 264-303.
Freud, Sigmund (1999 [1919h]): „Das Unheimliche“. In: Gesammelte Werke XII, Frankfurt/M.: Fischer Verlag, S. 229–268.
Gebur, Thomas (2002/2003): „Medienkritik als Gesellschaftskritik“. In: Medien & Kommunikationswissenschaft (50). Baden-Baden: Nomosverlag, S. 402-422.
Gast, Lilli (2011): „Das Unheimliche der Ambivalenz“. In: Forum für Psychoanalyse 27(4). Berlin: Springer Medizin Verlag, S. 349–358.
Hediger, Vincenz (2006): „Wirklichkeitsübertragung – Filmische Illusion als medienhistorische Zäsur bei Andre Bazin und Albert Michotte“. In: Gertrud Koch u. Christiane Voss (Hg.): ... kraft der Illusion. München: Wilhelm Fink Verlag, S. 205-230.
Hepp, Andreas (2011): Medienkultur – Die Kultur mediatisierter Welten. Wiesbaden: Springer Verlag.
Holl, Ute (2008): „Immersion oder Alteration – Tony Conrads Flickerfilm“. In: montage/av – Zeitschrift für Theorie und Geschichte audiovisueller Kommunikation 17 (2). Marburg: Schüren Verlag, S. 109-119.
Jacke, Christoph (2015): Medien(sub)kultur. Geschichten – Diskurse – Entwürfe. Bielefeld: transcript Verlag.
Jentsch, Ernst (2014 [1906]): „Zur Psychologie des Unheimlichen“. In: Sexuologie – Zeitschrift für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft 21 (3), S. 179-184.
Kausch, Michael (1988): Kulturindustrie und Populärkultur – Kritische Theorie der Massenmedien. Frankfurt/M.: Fischer Verlag.
Kawan, Christine Shojaei (2008): „Hexen, Engel, Heilige – Über das Wunderbare und das Dämonische im Unterhaltungsfilm“. In: Christoph Schmitt (Hg.): Erzählkulturen im Medienwandel. Münster/New York/München/Berlin: Waxmann, S. 139-156.
Kirchhoff, Christine (2011/2012): „Hass auf Vermittlung und ‚Lückenphobie‘. Zur Aktualität der Psychoanalyse“. In: Phase 2. Bd 41. online: http://phase-zwei.org/hefte/artikel/hass-auf-vermittlung-und-lueckenphobie-34/ [01.07.2022].
Knellessen, Olaf, Peter Passett u. Peter Schneider (2003): Das Deuten der Psychoanalyse. Wien: Turia & Kant.
Knellessen, Olaf (2011): „Ambivalenz und gleichschwebende Aufmerksamkeit. Oder: das Glück einer psychoanalytischen Haltung für den aktuellen Psychotherapiediskurs“. In: Forum der Psychoanalyse 27(4). Springer Verlag, S. 329-337.
Laplanche, Jean u. Jean-Bertrand Pontalis (1972): Das Vokabular der Psychoanalyse. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Lindner, Burkhardt (1983): „Kulturkritik“. In: Wolfgan R. Langenbucher, Ralf Rytlewski, Bernd Langenbrucher Weyergraf (Hg.): Kulturpolitisches Wörterbuch Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik im Vergleich. Stuttgart: J.B. Metzler, S. 368-372.
Marx, Karl (1973 [1867]): „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie“, Band. 1. In: Marx-Engels-Werke. Bd. 23. Berlin: Dietz-Verlag.
Müller, Wolfgang (2013): Subkultur Westberlin 1979-1989. Freizeit. Hamburg: Philo Fine Arts.
Müller, Wolfgang (2002): „Als West-Berlin New York war und Kreuzberg die ‚Factory‘“. In: Eugen Blume, Hubertus Gaßner, Eckhart Gillen u. Hans-Werner Schmidt (Hg.): Klopfzeichen. Kunst und Kultur der 80er Jahre in Deutschland – Wahnzimmer. Leipzig: Faber & Faber, S. 180-182.
Nepp, Nicola, Martin Roth u. Klaus Vogel (Hg.) (1999): Der Neue Mensch. Obsessionen des 20. Jahrhunderts. Katalog zur Ausstellung im Deutschen Hygiene-Museum Dresden vom 22. April bis 8. August 1999. Ostfildern/Ruit.
Reichelt, Helmut (2001): „Die Marxsche Kritik ökonomischer Kategorien. Überlegungen zum Problem der Geltung in der dialektischen Darstellungsmethode im „Kapital“ –vorgelegt bei der Tagung der Marx-Gesellschaft im September 2001“. online: http://www.marx-gesellschaft.de/Texte/ReicheltGeltung.pdf [08.07.2022.]
Ritsert, Jürgen (2014): Ist die Kulturindustrie eine Entmündigungsmaschine? In Memoriam Heinz Steinert. Vortrag, Juli 2014. ritsert-online.de/download/KULTind.pdf [08.07.2022].
Rosa, Hartmut (2016): Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Schwering, Gregor (2006): „Kulturindustrie“. In: Jens Schröter, Gregor Schwering u. Urs Stäheli (Hg.): Media Marx – Ein Handbuch. Bielefeld: transcript Verlag, S. 357-365.
Skov, Marie Arleth (2015): „Fiction and Reality in the Work of the Artists’ Group Die Tödliche Doris“. In: Own Reality 9. online: http://www.perspectivia.net/content/publikationen/ownreality/9/skov-en [06.12.2022].
Steinert, Heinz (2008): Kulturindustrie. Münster: Westfälisches Dampfboot Verlag.
Witte, Sonja (2018): Symptome der Kulturindustrie – Dynamiken des Spiels und des Unheimlichen in Filmtheorien und ästhetischem Material. Bielefeld: transcript Verlag.
Zupančič, Alenka (2009): Warum Psychoanalyse? Drei Interventionen. Zürich/Berlin: Diaphanes.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.: Francis Galton „Composite-Fotografie“. Quelle: Nepp, Roth, Vogel (Hrsg.) 1999, S. 124.
Abbildung 2.: Material für die Nachkriegszeit – Dokumente aus dem Fotomaton-Automaten. RD 1979-81. Regie: Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen. Super-8. 25 Min., gekürzte Fassung 9 Min. Quelle: Skov, Marie Arleth 2015.
Abbildung 3.: Screenshot Der Fotomatonreparateur. BRD 1982. Regie: Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen. Super-8, 2 Min. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=M-6bKjCNlDo [6.12.2022].
Abbildung 4. und 5.: Screenshots Die fabelhafte Welt der Amélie. F/D 2001. Regie: Jean-Pierre Jeunet. DVD, 117 Min. Universal Studio & Prokino 2002.
Autor:in: Dr. Sonja Witte (1979-2024) war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Kulturwissenschaft der IPU Berlin, Koordinatorin des Masterstudiengangs Kulturwissenschaften und vertrat mehrmals die Professur für Kulturwissenschaft mit Schwerpunkt Kulturtheorie und Psychoanalyse. In Forschung und Lehre befasste sie sich mit Fragen der Kritischen Theorie, der kulturwissenschaftlichen und psychoanalytischen Subjekts-, Medien-, und Kulturtheorie als auch der Sexualitäts- und Geschlechterforschung. Neben ihrem Werk Symptome der Kulturindustrie. Dynamiken des Spiels und des Unheimlichen in Filmtheorien und ästhetischem Material (2018) publizierte Sonja Witte zahlreiche wissenschaftliche Fachaufsätze und Beiträge in Sammelbänden und hielt eine Vielzahl von Vorträgen. Ihr Habilitationsprojekt stand unter dem Titel „Kulturelle Inszenierungen sexueller Grenzüberschreitungen und moralischer Grenzziehungen im Kontext von #MeToo". Zuvor studierte sie Kulturwissenschaft, Soziologie und Philosophie an der Universität Bremen und wurde dort summa cum laude zum Dr. phil. promoviert. Darüberhinaus absolvierte sie ein Masterstudium der Psychologie an der IPU Berlin und war in Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin. Sonja Witte verstarb 2024 nach kurzer, schwerer Krankheit.